Die alternative Musikszene in Indien
Ich kann mich nicht oft genug wiederholen. Es ist mehr als bedauerlich, dass die alternative Musikszene in Indien wenig Unterstützung erfährt und Kreativität dabei auf der Strecke bleibt.
Glücklicherweise gibt es aber Talente, die nicht aufgeben, auch wenn die Resonanz der Massen meist ausbleibt – denn englischsprachige Musik ist nicht sonderlich beliebt (außer es ist House).
Nichtsdestotrotz ist die Szene aber wie eine grenzüberschreitende Familie. Jeder kennt jeden, alle sind irgendwie verbandelt und indische Musiker arbeiten mit Künstlern aus der ganzen Welt zusammen und umgekehrt.
Sie gemeinsam stellen diverse Projekte auf die Beine und halten den dortigen Rock und Metal somit am Leben.
So auch diese Band:
Soul Inclination
Eigentlich fing die Story der zu Beginn nur als Online-Projekt geplanten Idee eher witzig an.
Vom Duo-Projekt zur Band
Die Schulfreunde Puneet und Aditya hatten im Sommer 2013 den Geistesblitz, ein Duo-Projekt ins Leben zu rufen.
Puneet Vohra entschied sich wenige Jahre zuvor, seinen Job als Ingenieur für Elektrotechnik an den Nagel zu hängen und sich komplett der Musik zu widmen und war einige Jahre Frontsänger der bekannten Delhi-Band Hundred Octain. Er wurde 2011 von IndieGO Music Awards in der Kategorie „Best Vocalist Asia“ nominiert. Anfang 2013 verließ er allerdings die Band und folgte nun ganz seiner Solo-Karriere.
Aditya Verma blieb in seinem Job als IT-Spezialist, der ihn immer wieder um die Welt führte. Musik aber blieb stets seine große Leidenschaft.
Sie konnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass dieses Idee ein Selbstläufer werden würde und sich eine Band daraus entwickeln könnte.
Da Spiritualität ein täglicher Begleiter der indischen Kultur ist, war auch schnell ein Name gefunden: Soul Inclination. Dies kann als „Seelen-Neigung“ oder „Tendenz der Seele“ interpretiert werden.
Diese Grundidee sollte sich auch in den Songs widerspiegeln, in denen meist Licht und Schatten des Seelenlebens thematisiert werden.
Da Aditya ob seines Jobs immer wieder für eine längere Zeit in den USA arbeiten musste, schlug Puneet ihm vor, er solle ihm eine Gibson aus den Staaten mitbringen, damit sie gemeinsam ihre Art von Musik auch vernünftig umsetzen können, denn Grunge war zum Zeitpunkt der Bandgründung im Land nicht weit verbreitet. Gesagt, getan.
Puneet Vohra bekam seine Gibson und es konnte losgehen.
Ein knappes halbes Jahr später stießen Tushar Pandey und Raghav Sehgal dazu und gemeinsam bildeten sie das erste Line-up, das sich ca. 1½ Jahre halten sollte.
Anekdote zur Aufnahme des ersten Songs
In dieser Zeit ging es schnell voran mit der Band. Dezember 2014 veröffentlichten die vier Jungs den ersten Song „I’m alone“ mit Puneet Vohras Stimme und arbeiteten an einer EP mit fünf Titeln. Aufgenommen wurde „I’m alone“ in den Illusion Studios, deren Besitzer Gitarrist und Produzent Keshav Dhar von Skyharbor ist.
Zu den Aufnahmen gibt es eine schöne Story zu erzählen, die eigentlich auch für den Song selbst steht:
Wird in dem Titel das Gefühl des Alleinseins beschrieben, passiert es nicht selten, dass man sich alleine fühlt, obwohl man von Menschen umgeben ist. Dieses Gefühl kann hervorgerufen werden durch Situationen und Umstände im Leben und beschreibt den verzweifelten Kampf heraus aus diesem Loch. Und so kam es, dass die Band zu früh zu den Aufnahmen erschien und draußen warten musste. Sie nutzten die Zeit und probten. Ein Wachmann hörte dies, kam vorbei und war offenbar so berührt, dass er sich den Bandmitgliedern gegenüber öffnete und ihnen seine Lebensgeschichte anvertraute.
Motivationsschub
Das Folgejahr 2015 ging für die Jungs aus Delhi erfolgreich weiter. Im Januar war die EP fast fertig und im Februar gewannen sie im „Free the Music“-Wettbewerb. Das bescherte ihnen nicht nur Auftritte in ganz Indien, sondern viel Aufmerksamkeit – auch aus Übersee. Nicht nur Medien wie Radio und Magazine wurden auf Soul Inclination aufmerksam, sondern sie ergatterten Platz 1 in den „Alternative Nation Charts“ (USA) mit „Not a loser“, der zweiten Single-Auskopplung.
Line-up-Wechsel
Obwohl das ein großer Motivationsschub für die Band war, bedeutete es nur wenige Wochen später das Aus für dieses Line-up und die Wege von Puneet, Aditya, Tushar und Raghav trennten sich.
Aber die Idee wurde nicht ad-acta gelegt und erste Gespräche mit neuen Bandmitgliedern folgten. November 2015 wurde die neue Zusammensetzung schließlich offiziell bekannt gegeben.
Das Quartett bestand nun aus Shashank Bhatnagar an den Vocals, Puneet Vohra wechselte zu Back-Vocals und Gitarre, Bass wurde von Ashish Sharma übernommen und hinter den Drums nahm Nishant Hagjer Platz.
Shashank, formals Maschinenbauingeneur, kam Anfang der 2000er zur alternativen Musikszene und machte sich als Sänger der Metal-Band Undying Inc. schnell einen landesweiten Namen. Es gibt kaum jemanden, der so viel Power und Herzblut in Stimme und Performance steckt, wie er. Er arbeitet auch als Eventmanager seiner eigenen Marke „Unbolly Inc.“ und trägt damit maßgebliche dazu bei, den indischen Künstlern aus dem Rock- und Metal-Bereich eine Plattform zu bieten.
Nishant kam direkt nach seinem Schulabschluss aus dem Nordosten Indiens in die Hauptstadt. Er gilt als einer der besten Drummer landesweit. Er wuchs in einer musikalischen Familie auf, da sein Vater ebenso Gitarrist einer Band war. Ohnehin ist es kein Geheimnis, dass die „North-Easterns“ musikalische Begabung in die Wiege gelegt bekommen und so überrascht es nicht, dass Nishant tatsächlich einer der wenigen Künstler ist, die von der Musik leben können. Er spielte schon im Teenageralter in diversen Bands seiner Heimat. Der Durchbruch kam, als Undying Inc. auf ihn aufmerksam wurden und ihn als Schlagzeuger engagierten. Weitere Bands bekundeten Interesse und so arbeitet er immer wieder mit diversen Bands zusammen, spielt aber ebenso intensiv für die nepalesische Band Underside und tourt mit ihnen durch die Welt.
Ashish, seines Zeichens Marketing-Manager, war bereits als Bassist der New Metal-Band Frequency bekannt und die Einflüsse von Limp Bizkit sind mehr als offensichtlich, denn in Sachen Fashion unterscheidet er sich tatsächlich vom Rest der jetzigen Bandmitglieder und gibt dem ganzen „Pepp“.
Und so starteten die vier Jungs in neuem Gewand durch und hatten bereits Dezember 2015 ihren ersten gemeinsamen Auftritt.
Neue Veröffentlichungen
2016 trafen sie sich wieder in den Illusion Studios, um auch den bis dahin unveröffentlichten Songs von Soul Inclination einen neuen Twist zu geben.
Mai 2016 wurde also eine EP veröffentlicht, unter anderem mit dem meist gehörten Song „Running Today“, der auch als Video auf durchweg positive Resonanz stieß.
Auftritte um Auftritte folgten. Immer interessanter und beliebter wurde, dass Shashank, Puneet, Nishant und Ashish auch immer öfter Akustik-Shows involvierten.
2017 veröffentlichten sie den Titel „Return to self“, der einmal mehr Ursprung und Grundidee der meisten Songs wiedergab. Ein Video folgte zeitnah.
Auf der Suche nach Inspiration für neues Material
Im selben Jahr entschied sich Puneet, für eine Weile ins Ausland zu gehen und zog vorübergehend nach Peking. Es sei wichtig, Neues kennenzulernen und somit Inspiration für neuen Stoff zu erarbeiten.
Er hat diverse Kollaborationen mit verschiedenen Solo-Künstlern und Bands der chinesischen Szene und möchte damit auch den Namen Soul Inclination über indische Landesgrenzen hinaus tragen, ihn bekannter machen und somit den eigenen Namen voran bringen.
Die anderen drei Bandmitglieder tragen ebenfalls ihren Teil zu neuem Material bei.
Sowohl Puneet, als auch Nishant pendeln zwischen neuem und altem Zuhause und der indischen Hauptstadt, denn auch Nishant Hagjer zog es zurück in den Nordosten Indiens. Trotzdem schaffen alle vier, die Balance zwischen Beruf und Berufung zu halten.
Sie stehen bei keinem Label unter Vertrag, machen alle Prozesse in Eigenregie und haben gemeinsam entschieden, die eigene Musik for free zum Download freizugeben.
Das lässt hoffen, in nicht all zu ferner Zukunft wieder Neues von Soul Inclination hören zu dürfen.
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Copyright Artikelbild: Soul Inclination
Bandfoto by Srijan Mahajan
Liveaufnahmen by Daggy, DUV Photography