Review

Soft Cell wollten sich eigentlich schon von der Musik verabschieden, als genau in diesem Prozess etwas Neues entstand, das jetzt als „*Happiness not included“ präsentiert wird.

Das Duo, das nicht nur, aber ganz besonders mit „Tainted Love“ einen zeitlosen Gassenhauer kreiert hat, der über Jahrzehnte nicht an Qualität eingebüßt hat, liefert mit vorliegendem Album zum nunmehr fünften Mal einen Longplayer ab, der den typischen Soft Cell-Sound der letzten vier Jahrzehnte bietet und trotzdem nicht in der Zeit stehen geblieben ist.

Das Themenkonzept des Albums

Auch auf diesem Album verstehen es Marc Almond und Dave Ball, leichten Pop mit düsteren Lyrics zu kombinieren. Dabei hat es Almond in all den Jahren nicht verlernt, vielschichtig, tiefgreifend und theatralisch zu performen. Eben ganz so, wie man es von ihm kennt und gewohnt ist.

Mit insgesamt zwölf Titeln pointiert das Duo Themen wie die Entfremdung von Moral, die Macht des Geldes, Profitdenken über Menschenrechte, das Fehlen von Tierrechten, Fanatismus in diversen Facetten, Wohlstandsverwahrlosung, eine verkümmerte Medienlandschaft und die Hoffnung auf eine Zukunft, die nie eingetroffen ist und aller Wahrscheinlichkeit nach auch nie eintreffen wird.

Das Themenkonzept schließt mit dem Wissen ab, dass das Leben nicht unendlich ist.

Scharfsinnig geben Almond und Ball diesem Themenkomplex somit eine Stimme und hämmern den passenden Sound dazu in die Köpfe der Hörer.

Über die Songs

Desillusioniert geht es somit schon mit „Happy Happy Happy“ los und lässt auf eine gar dystopische Zukunft blicken.

„Bruises On My Illusions“ spricht für sich und hinterlässt „blaue Flecke“ nicht nur auf und in den Träumen des Interpreten. Die Synthies hämmern dazu passend im Takt.

„Purple Zone“ kommt leicht daher und bildet einen Kontrast zum schweren Gesang von Marc Almond und den Pet Shop Boys.

„Heart Like Chernobyl“ könnte gerade aktueller nicht sein. Es thematisiert die schier dauerhaften Katastrophenmeldungen über Elend und Tod und bezeichnet Jesus als naiven Romantiker.

Soft Cell (Copyright: Soft Cell)

Der titelgebende Song des Albums „*Happiness Not Included“ startet düster mit den Worten: „Wir können unsere Vergangenheit nicht desinfizieren“, was auch für Sünden zu gelten scheint, und man könne sich nicht die Hände rein waschen von allem. Auch musikalisch werden hier überraschend dunkle Töne angeschlagen.

„I’m Not A Friend Of God“ ist ebenfalls sehr direkt in seiner Aussage. Gott sei nie in der Nähe, wenn er gebraucht werde und werde auch nie gefühlt. Er sei sicher nicht der Retter und der Sänger verdeutlicht, dass er kein Menschenfreund an sich sei, denn Menschen lassen einen sowieso fallen.

Das Outro „New Eden“ endet mit der Suche nach einem neuen Paradies. Man möge das alte Elend zurücklassen und dem Neuen entgegenblicken. Alte und zerstörte Träume und Ideen zurücklassen und Ausschau nach einem neuen Eden halten.

Fazit

Soft Cell haben es mit dem vorliegenden Album gekonnt und wiederholt geschafft, ernsthafte Themen tanzbar zu machen und trotz aller Schwermut mit einer gewissen Leichtigkeit ein Licht am Ende des Tunnels zu schaffen.
Lyrisch schwer, aber musikalisch mitunter erhellend erschafft das Duo ein Konzept, das wirklich jeden die Gegebenheiten überdenken lässt, und bei dem die Musiker kein Blatt vor den Mund nehmen.
Es erscheint so, als haben sie mit dem Draufblick und dem Hintergrund einer Pandemie, aber auch durch immer wiederkehrende Katastrophen einen Abriss einer Gesellschaft verewigt, welche unbemerkt in den Abgrund zu schlittern scheint, wenn diese nicht in der Lage ist, die Augen zu öffnen und das Ruder noch herum zu reißen. „Science-Fiction-Storys“ des 21. Jahrhunderts eben, wie schon im ersten Song so treffend besungen.


Soft Cell – *Happiness not included

Video

Tracklist

01 Happy Happy Happy
02 Polaroid
03 Bruises On My Illusions
04 Purple Zone
05 Heart Like Chernobyl
06 Light Sleepers
07 *Happiness Not Included
08 Nostalgia Machine
09 Nighthawks
10 I’m Not A Friend Of God
11 Tranquiliser
12 New Eden

Details

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Label: BMG
Vö-Termin: 06.05.2022
Spielzeit: tba

Copyright Cover: BMG



Über den Autor

Daggy
So ist das Leben, sagte der Clown mit Tränen in den Augen, und malte sich ein Lächeln ins Gesicht.