Review

Hysteriis veröffentlicht mit „Bürde“ das zweite Album für sein Soloprojekt F41.0 und hat auf diesem direkt vier namhafte Gastmusiker versammelt. Frederic und Tentakel P. (Todtgelichter) unterstützen bei Gesang und Drums, A. Schmied (Mor Dagor), Metvs (Signum:Karg) und Asgoroth (Narvik) vervollständigen das stimmliche Quartett. Mit einem fesselnden Coverartwork von Waeik ist nach langem Werkeln am 19.05.2017 ein in Musik gegossenes Abbild der namensgebenden Panikstörung veröffentlicht worden.

Während der Opener „Davor“ noch eine schwarz-weiße, Pardon, „eine Welt aus rot und weiß“ zeichnet und das lyrische Ich nur grob umrissen etwas orientierungslos „bleiern ist mein Körper, taub und lahm meine Glieder“ vor sich hin litaniert, sind die Riffs im Hintergrund schon sehr verheißungsvoll. Leider schindet „Gefangen in einem Strudel aus Ziehen und Stoßen und Beißen und Kratzen“ auch kraftvoll dahingerotzt wenig Eindruck und die Lyrics scheinen sich in ausgetretenen Allgemeinplätzen zu verlieren: „Sekunden verrinnen, werden zu Minuten“ und „Blut und Trauer“ sind wenig avantgardistisch, holen den Zuhörer aber in der grauen und meist nicht so fantasievollen Realität direkt ab.

Auf dem Schlachtross Bass-Stakkato fegt der gutturale Sprechgesang hin zu „Entartet, verwittert, ausgezehrt“ und growlt sich in einer düsteren Aggressivität hin zum dritten Track „Enso“. Auch dort würde ein bisschen wortgewaltigere Epik der emotionalen Tiefe guttun, die die bestens abgestimmten Soundparts zusammenmauern. Das „Meer aus Farben, in das ich tauche“ wirkt in der musikalisch schwarzen Gewandung eher befremdlich, ist aber auch beispielhaft für den kleinen metaphorischen Pool. Metallisch-melodische Lead-Gitarren, drückende Drums, Soli, Blasts und alles, was das Herz begehrt, entschädigen aber dafür.

Der Titeltrack „Bürde“ gleitet mit Gitarrengeschrammel auf dem Blastteppich weiter durch Allgemeinplätze wie „fremd und vertraut“ und „in der Tiefe das schöne Unbekannte“. Da weiß man zu schätzen, dass man doch oft die Texte nicht zu genau versteht und die akustisch transportierten Gefühlswelten im Vordergrund stehen. Das Songgewand erinnert mal an Agrypnie, mal an Austere und wird in dieser Form auch von „Alpha“ weitergeführt. „Das Wesen aller Dinge“ wird in betörendem Gesang von rituellen Drums und choralem Keyboard untermalt und schafft eine Dichte, die einen der Erleuchtung um des Pudels Kern nahe rückt (immerhin basiert der Text auf einem Gedicht von Koko Khaos und auf dem Vorgängeralbum wurde auch Hesse verarbeitet). „Sie stirbt mir einfach langsam weg“ klingt im Gegensatz dazu eher mundartlich, ist aber gerade durch diese Nähe sehr ergreifend und die sanft ausklingende Gitarre klimpert noch mal auf die versteinerte Tränendrüse.

F41.0 (Copyright F41.0)

„Kokytos“ wirft den Zuhörer völlig unvorbereitet in den „Ozean aus Geräusch“, den man bisher nur vom sicheren Pier aus gedankenverloren betrachtet hat. Ein schwarzer Strudel aus sehnsüchtiger Stimmgewalt von apathischem Flüstern bis zu verzweifelten Schreien, Soundwänden aus melancholischen Gitarren und einfach genialem Songwriting führt immer tiefer in die Einsamkeit, sogar das Schlagzeug schlägt Verzweiflung. Der abschließende Chorus „Oh Leere, sei mein Gast / ertrinke meine Träume / Oh Stille, sei mein Lied, übertöne den Lärm“ bohrt sich in den Geist, der einmal einen Blick ins Dunkle tat, und verführt so ein bisschen zu malerischer Wortwahl. Hier intensivieren Wiederholungen einzelner Textpassagen durchaus den bedrückenden Eindruck von Hoffnungslosigkeit und „Kokytos“ bildet mit seinen knappen acht Minuten Spielzeit den Bogenschlag zum Opener, der die Tiefe des Abgrunds dieses düstermetallischen Albums erst erahnen ließ. Auf jeden Fall mein persönlicher Favorit und Anspieltipp neben „Alpha“.

Video

Tracklist

01 Davor
02 E.V.A.
03 Enso
04 Bürde
05 Alpha
06 Kokytos

Details

F41.0 – Facebook

Label: Geisterasche Organisation
Vö-Termin: 19.05.2017
Spielzeit: 45:52

Copyright Cover: Geisterasche Organisation / Waeik



Über den Autor

Maria
Tunichtgut von Welt