Review
Lange habe ich nachgedacht, lange hin und her überlegt und war in Teilen sichtlich überrascht über die teils recht negative Reaktion so mancher Depeche Mode-Fans auf den aktuellen Longplayer „Imposter“ von Dave Gahan & Soulsavers.
Das vorliegende Album ist nämlich anders als das, was man von einem Frontmann eines Formates à la Dave Gahan kennt und sollte von allem, was man von Depeche Mode gewohnt ist, deutlich unterschieden und daher getrennt betrachtet werden – und dabei bestenfalls ganz unvoreingenommen.
Fakt ist…
Die Stimme hat einen sofortigen Wiedererkennungswert und findet sich kein zweites Mal. Gerade bei dem aktuellen Werk zeigt sich einmal mehr, wieso die Erhebung in den Rock-Olymp berechtigt war bzw. ist (auch wenn das für Depeche Mode insgesamt gilt, aber Dave Gahan stimmlich einen wesentlichen Teil dazu beigetragen hat). Gahan versteht es hier, als „reifer“ Sänger – besonders nach vier Dekaden Musikerfahrung – eine breite Palette an Emotionen zu transportieren, die man in einer solchen Wucht und Intensität wohl eher selten findet. Der Tiefgang in der Stimme wird an der nunmehr zum dritten Mal wiederholten Kollaboration mit Soulsavers erneut bewiesen. Schwermut und Gefühl transportieren die Künstler gekonnt.
An Brillanz nicht zu überbieten
Dabei ist „Imposter“, was so viel wie „Blender“ oder „Gaukler“ bedeutet, eigentlich eine verfehlte Bezeichnung. Auch wenn es sich hier um Coverversionen bekannter Songs von Neil Young, Bob Dylan, PJ Harvey, Charlie Chaplin, Cat Power, Mark Lanegan und Elvis Presley, um nur einige zu nennen, handelt, ist dies kein Cover-Album im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr eine berührende Hommage an die ausgewählten Künstler. Dave und seine Soulsavers verstehen es, jedem einzelnen Titel neues Leben einzuhauchen und den sorgfältig ausgewählten Tracks Persönlichkeit zu geben. Die Hörer:innen fühlen sich aufgehoben und „getragen“, so wie auch Dave selbst, wie man seinen Worten entnehmen kann:
„Wenn ich die Stimmen und Lieder anderer höre – und vor allem die Art, wie sie sie singen und die Worte interpretieren – fühle ich mich zu Hause. […] Ich identifiziere mich damit. Das tröstet mich mehr als alles andere. Es gibt keinen einzigen Künstler auf der Platte, der mich nicht berührt hat. […] Ich weiß, dass wir etwas Besonderes geschaffen haben, und ich hoffe, dass andere Leute das spüren und es sie auf eine kleine Reise mitnimmt – vor allem Leute, die Musik lieben und das schon seit Jahren.“
Dies kann in der Tat mehr als nachempfunden werden, da das Album nicht nur als Konzept wunderbar harmoniert, sondern auch die einzelnen Titel schlicht funktionieren, unter die Haut gehen und von der ersten Sekunde an Gänsehaut verursachen.
Dass dieses Album im berühmten Shangri-La-Studio in Malibu mit einer zehnköpfigen Band aufgenommen wurde, hat dem Silberling den letzten Schliff, den nötigen Hauch von Daves Priorität an dieser Idee und dem Ganzen den nötigen Spirit in der Zusammenarbeit als solches gegeben, besonders aber die Sensibilität dabei untermalt.
Es ist gar nicht nötig, die zwölf Titel einzeln zu analysieren. Grundsätzlich ist dies auch gar nicht möglich. Warum? Weil ich mir sicher bin, dass jede/r Hörer/in die Songs anders und somit individuell interpretiert.
Fazit
Dave Gahan ist in seiner besten Form und kann auf beseelte Art Blues und Soul interpretieren, dass es in Teilen sicherlich nicht nur den Originalen das Wasser reichen kann, sondern sogar in der eigenen Feinfühligkeit noch schönere Nuancen trifft. Die Gospel-Backvocals runden das Meisterwerk mit einem Hauch Melancholie ab.
Ein wahres Meisterwerk, das vorzüglich in die jetzige Jahreszeit passt und der Tristesse ein Fünkchen Wärme zurückgibt. Bravo!
Video
Tracklist
01 The Dark End of the Street
02 Strange Religion
03 Lilac Wine
04 I Held My Baby Last Night
05 A Man Needs a Maid
06 Metal Heart
07 Shut Me Down
08 Where My Love Lies Asleep
09 Smile
10 The Desperate Kingdom of Love
11 Not Dark Yet
12 Always On My Mind
Details
Label: Columbia / Sony Music
Vö-Termin: 12.11.2021
Spielzeit: tba
Copyright Cover: Columbia / Sony Music