Review
Indian Folk Metal
Wurden Bloodywood als Youtube-Wunder (besonders zuerst mit diversen Metal-Covern und eher witzigen Songs) bekannt, geben sie sich auf der Erstlings-LP „Rakshak“ betont ernst und haben so offensichtlich ihre eigene Stimme gefunden. Sie lassen dabei aber die richtige Portion Emotion und Herz nicht missen und legen ebendiese Gefühle gekonnt in Gesang und Sound.
Die Pioniere auf dem Feld des „Indian Folk Metal“ verstehen es glänzend, kraftvolle Metal-Riffs mit typisch indischen Klängen wie der Dhol, der melancholisch klingenden Flöte, Tumbi und weiteren charakteristischen indischen Sounds aus dem Subkontinent zu verbinden.
Das vorliegende Album „Rahshak“, was so viel heißt wie „Beschützer“ oder „Führer“, behandelt in zehn Tracks kompakt und melodisch Themen wie spalterische Politik und Korruption, Armut, Depression und sexuelle Übergriffe; dies aber mit der nötigen Motivation und der Message, dass man alles hinter sich lassen kann, wenn man zueinandersteht und den ersten Schritt wagt.
Die Songs und Inhalte
So geht es schon kraftvoll los mit „Gaddaar“, was so viel wie „Verräter“ heißt und in deutlichen Worten die bestehende Korruption der Politik anprangert. Die Jungs scheuen es nicht, eine klare Ansage zu machen, und verdeutlichen lyrisch, dass man, egal welcher Religion man angehört (denn Religion ist in Indien nach wie vor ein leitendes und ebenso spaltendes Thema) oder welche Sprache man spricht, Hand in Hand gehen soll. Sie prangern an, dass man nichts als leere Versprechungen vernimmt und im Tausch der Stimme zur Wahl wieder nur Verrat erfährt und deshalb die Demokratie in Trümmern liegt. Dass sich dann eben dieser Verräter niederknien sollen, resultiert in der Kernaussage des ersten Songs und wird mit Raouls englischsprachigen Rap-Einlagen auch international verständlich. Das kürzlich dazu veröffentlichte Video betont mit dem Tritt in den Kuhdung mehr als deutlich auch visuell, was Karan, Raoul und Jayant von den gegebenen politischen Umständen halten.
Weiter geht es mit „Aaj“, was „Heute“ bedeutet. Der Song baut sich leise, aber kraftvoll auf und Karans Flöte leitet die Metal-Riffs mit „Wums“ ein.
„Aaj“ kann vielleicht auch als die eigene Story der Band verstanden werden, findet aber auf jeden von uns Anwendung, denn wir alle haben mit den Sorgen des Alltags zu kämpfen, kommen von oder leben in sozial kritischen Strukturen, mussten oder müssen schlicht „Scheiße fressen“, wie man unverblümt sagen würde. Und nur wenige schaffen es, den ersten Schritt zu machen – und diesen eben auch „heute“ und nicht erst morgen zu tun.
Dieser motivierende Titel spart auch nicht an elektronischen sowie Echo-Sounds und untermalt somit, dass alles geschafft werden kann, sofern der erste Schritt erst einmal getan ist, man auf dem Weg nicht aufgibt, die Angst ablegt und es „durchzieht“. Das betrifft im Grunde so ziemlich jeden Aspekt des Lebens und packt bei der „Leidenschaft“, die eigentlich jeder in sich trägt. Man sollte den Kopf hochhalten, losgehen, dem Licht am Ende des Tunnels folgen und das Vergangene hinter sich lassen. So kann man sich jeden Traum erfüllen und seinen eigenen Weg gehen, solange das Herz in der Brust schlägt, man dankbar bleibt – und die Bodenhaftung nicht verliert.
Der Song „Zanjeero Se“, was so viel bedeutet wie „In Ketten“, kommt überraschend balladesk und ebenso voluminös daher. Wunderbar poetisch wird hier das Thema Depression vertont, wenn Jayant von der Stille des eigenen Versagens singt und die Selbstzweifel den eigenen Geist bzw. die eigene Seele brechen. Die Riffs und Raouls eindringlicher Sprechgesang betonen die Ernsthaftigkeit des Themas, aber gleichzeitig verstärkt der wunderschön pointierte weibliche Chorus die Lyrics von der „Stille der besiegten Echos“. Eine wahrliche Überraschung auf dem sonst relativ „aggressiven“ Song-Konstrukt, das Gänsehaut verursacht.
Bei „Machi Bhasad“, welcher ursprünglich für Ubisoft geschrieben wurde, geht es um nichts Geringeres, als einen Aufstand zu üben. Wenn der kleine Mann unterdrückt wird, führt das zwangsweise zu Ausbruch und Aufruhr. Vermutlich hat das mit der kolonialen Vergangenheit Indiens und/oder der derzeitigen Lage der Bauern und der Masse der armen Bevölkerung zu tun, aber auch global betrachtet ist dies durchaus ein aktuelles Thema, denn gerade zu den jetzigen Zeiten ist eine Spaltung nicht mehr zu leugnen und kann ebenso wenig klein geredet werden. Nicht umsonst ist dieser Titel auch einer der stärksten und „lautesten“ auf dem Album und untermalt lyrisch und besonders musikalisch die Seriosität – lockert aber für den Bruchteil einer Sekunde mit einer Art „Quietsche-Entchen-Sound“ auf. Insgesamt ist dies ein wirklich typischer „Desi“-Sound (Punjabi) und dieser tritt auch in den Vordergrund. Sehr gelungen. Da bleibt es nicht nur bei einem Zucken des Beines.
„Dana-Dan“ entspricht dem typischen Trommel-Sound und kann hier auch als „Beat the sh*** out of someone“ verstanden werden, was dies umgangssprachlich auch bedeutet. Recht unverblümt werden hier Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen auf den Punkt gebracht, was ein massives Problem in Indien darstellt, welches durch den Delhi-Vorfall 2012 internationale Aufmerksamkeit erfuhr. Raoul nimmt hier kein Blatt vor den Mund und Jayants Vocals transportieren die Message noch direkter. Sie benennen all die namenlosen Gesichter derer, die Frauen und deren Rechte mit Füßen treten und solange solche Charaktere nicht umdenken, müsse man den „Dreck“ aus ihnen rausprügeln. Die männlichen Marschgesänge wechseln sich mit weiblichen Vocals ab, um ebendieses Thema lyrisch-musikalisch zu betonen.
„Jee Veerey“ („Lebe Bruder!“ bzw. „Lebe, Heldenhafter!“) behandelt einmal mehr das Thema psychische Erkrankung. Auf den Punkt gebracht singt die Band davon, dass man erst durch die Hölle muss und seine inneren Dämonen zu bekämpfen hat, um aus der Erkrankung wie der Phoenix aus der Asche steigen zu können und stärker zu werden. Betont sensibel mit Flötenspiel und ebenso gewohnt stark im Wechsel kommt dieser Song daher und vermittelt auch hier gekonnt, dass man niemals aufgeben sollte.
„Endurant“ („ausdauernd“) ist der einzige englische Titel auf dem Album und behandelt das Thema „Bullying“, also Tyranneien, welchen man in der Schule, im Job oder in Beziehungen – welcher Art auch immer – ausgesetzt sein kann. Der so treffende Satz „Never see yourself from the eyes of the bully“ („Betrachte dich niemals mit den Augen eines Tyrannen“), so formuliert von Songschreiber Karan, trifft den Kern dieses Titels. Der eigene Selbstwert hängt nicht von Raufbolden und Tyrannen ab, bei denen ein solches Verhalten auch in der Regel aus bestimmten Gründen resultiert und durchaus zum Überdenken des eigenen Verhaltens führt – und manchmal sogar zur Reue. Vergebung, Loslassen und Selbstliebe brechen die Ketten – und die oft nachhaltigen Verletzungen, sollte man solchem Verhalten ausgesetzt sein.
„Yaad“, also die Erinnerung an jemanden, folgt in der Trackliste. Es geht um bedingungslose Liebe (nicht nur im romantischen Sinne) gegenüber Gefährten und Begleitern im Leben und wie man sich selbst darin finden kann – und die Leere, welche bei Hinterbliebenen entsteht, aber auch wie man diese verarbeiten kann. Dieser Song kommt einmal mehr ruhiger daher, betont den Sprechgesang Raoul Kerrs mit elektronischen Elementen und arbeitet die Emotionen wieder poetisch mit Karans Flöte und Gitarrensoli heraus, wenn betont wird, dass sich die Liebe nicht nur auf ein Leben beschränkt, sondern in der Erinnerung und im gesprochenen Wort bestehen bleibt. Da lässt sich manche Träne nicht vermeiden.
„BSDK.exe“ steht aller Wahrscheinlichkeit nach für „Bhosdike explicite“, weshalb der Track auch eher Rap-lastig beginnt. „Bhosdike“ bedeutet so viel wie „Cunt“ (und dies bedarf sicher keiner weiteren Übersetzung). Dieser Song ist einmal mehr eine klare Anklage gegenüber den politischen Missständen im Land und es kann kein Zufall sein, dass hier Flötenklänge zum Einsatz kommen, welche den Tönen von Schlangenbeschwörern gleichen. Hier wird eindeutig und mehr als direkt auf die gesellschaftliche Spaltung abgezielt und man spricht nicht nur von Wölfen im Schafspelz, sondern von kriminellen „Schlangen“, die den „Thron“, auf dem sie sitzen, missachten, sich bereichern, in ihrer eigenen Blase leben und lieber Partys für die eigenen Parteien schmeißen, während sie das Land zugrunde richten – mithilfe und Unterstützung des gelenkten Sensationswahns der Medien. Nicht selten werden faschistoide Tendenzen thematisiert und auch die angebliche Integrität angeprangert. Dieser Song ist im wahrsten Sinne ein Weckruf, denn „Wacht auf und macht etwas“ wird auch hier in voller Lautstärke vertont.
Das Outro „Chakh Le“ kommt nochmal mit aller Kraft daher und prangert die Armut an. Also wird dazu aufgerufen, nicht mehr das eigene Leben in die Verantwortung korrumpierter Individuen zu legen, sondern selbst aktiv zu werden.
Fazit
Bombastisch! Das lang erwartete Debüt der Band wurde nun endlich „geboren“ und befasst sich scharfen Auges und brachialer Schlagkraft mit den Schieflagen im Heimatland Indien. Diese Beobachtungen finden aber auch Anwendung weltweit und vielleicht erklärt das auch den raketenhaften Aufstieg der Band, die diese Umstände direkt und ohne Umschweife anspricht. Der „Frust“ wird zwar regelrecht rausgeschrien, aber mit ihren Worten konnte die Band schon vielen Followern helfen, die in einer misslichen Lage steckten oder sich immer noch befinden – und das weltweit.
Musikalisch ist das ganze Album sowohl Song für Song rund, aber auch im gesamten Konstrukt einfach passend. Die Melodik jedes einzelnen Tracks führt genau zum Thema, deshalb ist es aus meiner Sicht erst einmal weniger relevant gewesen, den melodischen Aufbau zu thematisieren, sondern vielmehr zu versuchen, die Message des Albums verständlich zu machen. Ganz gemäß der Aussage: „In guten Tagen ist der Beat entscheiden, in schlechten die Lyrics“ war es ein prioritäres Anliegen, die zugrundeliegenden Themen des Albums zu analysieren. Somit passt das gesamte Konzept um den „Beschützer“, welcher die erforderliche Power, aber auch das nötige Fingerspritzengefühl hat, um führen zu können. Der Titel des Albums könnte daher nicht passender sein, und auch der Elefant als der repräsentativ sanfte Riese ist einfach treffend.
Da bleibt mir nur zu sagen: Incredible India – Du kannst stolz auf deine kreativen Köpfe sein und die Art und Weise, wie du hier international musikalisch vertreten wirst!
Video
Tracklist
01 Gaddaar
02 Aaj
03 Zanjeero Se
04 Machi Bhasad (Album Version)
05 Dana-Dan
06 Jee Veerey (Album Version)
07 Endurant (Album Version)
08 Yaad (Album Version)
09 BSDK.exe
10 Chakh Le
Details
Bloodywood – Facebook | Bloodywood – Twitter
Label: Self-Released
Vö-Termin: 18.02.2022
Spielzeit: 49:05
Copyright Cover: Bloodywood
Dieses Review ist irgendwie sehr seltsam geschrieben. Der Autor hat es irgendwie nicht geschafft wirklich zu vermitteln war er eigentlich sagen will. Die Sätze klingen oft gezwungen und lenken dadurch vom eigentlichen musikalischen Inhalt ab.