Review

Comicverfilmungen sind mittlerweile ein etabliertes Kino-Genre. Interessant wird das Genre aber meistens dann, wenn Vorlagen verfilmt werden, die dem gemeinen Kinopublikum weitestgehend unbekannt sind. „Le Transperceneige“ (zu deutsch „Schneekreuzer“) von Jacques Lob, Benjamin Legrand und Jean-Marc Rochette ist eines dieser Comicwerke, welches im letzten Jahr auf die Leinwand gebracht wurde und seit diesem September in den heimischen Playern die Runden dreht.

Bong Joon-ho feiert mit „Snowpiercer“ seinen Hollywood-Einstand und zieht nun mit seinen Landsleuten Kim Jee-woon („I Saw The Devil“, „The Last Stand“) und Park Chan-wook („Oldboy“, „Stoker“) gleich, die ebenfalls aus dem südkoreanischen Kino-Eldorado anreisten, um den amerikanischen Film zu erobern. Letzterer fungierte hier auch gleich als Produzent mit. Seine Rechnung hatte Bong jedoch nicht mit US Film-Mogul Harvey Weinstein gemacht, der sich die Rechte an der US Veröffentlichung sicherte und dem Film kurzerhand attestierte, für das US Publikum „zu intelligent“ zu sein, weshalb er eine 20-minütige Kürzung des Filmmaterials vorsah. Nach langen Streitigkeiten wurde sich jedoch auf eine ungekürzte Veröffentlichung in wenigen ausgesuchten US Kinos geeinigt, wodurch er doch noch weltweit in die Kinos kam. Ascot Elite bringt „Snowpiercer“ nun ungeschnitten auf den deutschen Blu-ray und DVD Markt.

Der durch Eiswüsten rasende "Schneekreuzer".

Der durch Eiswüsten rasende „Schneekreuzer“. (Copyright: Ascot Elite Home Entertainment)

Im verzweifelten Kampf gegen die globale Erwärmung entschlossen sich die Denker der Erde ein künstlich erschaffenes Mittel in die Atmosphäre zu pusten, um die voranschreitende Erwärmung zu stoppen. Offenbar etwas fehlerhaft berechnet kühlte sich so die Erdtemperatur drastisch ab und löste eine neue Eiszeit aus. Die Menschheit starb einen grauenvollen Tod und nur wenige Überlebende konnten sich in einem Zug retten, der bei aberwitzigem Tempo durch die Eiswüsten schmettert, um dem Kältetod zu entgehen. Wie ein Hochgeschwindigkeits-Perpetuum mobile fräst er sich seinen Weg durch die eisigen Landschaften, während in seinem Inneren eine neue Gesellschaft, eine neue Generation der Menschheit heranwächst. Demokratie ist Luxus, vielleicht sogar Illusion und in der Not einfach undenkbar. So formte sich seit der Rettung in den Zug eine diktatorische Zweiklassengesellschaft. Im hinteren Teil verwahrlost eine arme Schicht von Menschen, die vom vorderen Teil des Zugs unterjocht wird, sich von einheitlicher synthetischer Nahrung zu ernähren hat und die jede aufkommende Rebellion gegen ihre erbarmungslosen Herrscher deren Waffengewalt opfern musste. Eine verkommene Existenz, ohne Sinn, Zweck oder Zukunft.

Curtis legt es drauf an. (Copyright: Ascot Elite Home Entertainment)

Curtis legt es drauf an. (Copyright: Ascot Elite Home Entertainment)

Curtis, gespielt vom eher als Captain America bekannten Chris Evans, wird zum unfreiwilligen Helden der Geschichte, als er mehr oder weniger im Affekt einen neuen Aufstand anzettelt und sich und seine Leute wie in einem Videospiel, Stück für Stück, Wagen um Wagen, Level um Level nach vorn durch die mysteriösen und verblüffenden Abteile kämpft, in der Hoffnung, den Spieß nach über 20 Jahren endlich umdrehen zu können.

Regisseur Bong hat sich mit diesem Film an ein außergewöhnliches Konzept gewagt. Nicht nur, dass er sich politische sowie gesellschaftliche Versatzstücke erarbeitet, spielt er vor allem mit dem klaustrophobischen Inneren seines Schaubildes, den Engen und Tiefen des Zuges. Mit gekonnten Kameraeinstellungen inszeniert er gewaltige Beklemmungen und lässt die Zuschauer die Ausweglosigkeit seiner Protagonisten spüren, deren einzige Chance der Weg nach vorn ist.

Die Tristesse des hinteren Zugteils, die maschinellen, grauen und dunklen Bilder, lösen sich Stück für Stück auf und eröffnen den Charakteren Abteil um Abteil neue vergessene und farbenfrohe Welten, die nicht nur den Zuschauer zum Staunen bringen. Auch wenn man manchen Effekten ansehen kann, dass dies keine High-Budget-Produktion ist, so kommt vor allem die Inszenierung der Action-Szenen gewaltig auf den Punkt, wodurch der koreanische Filmemacher seinen amerikanischen Kollegen durchaus zeigt, wie elegant man Überlebenskämpfe darstellen kann.

Der Aufstand gegen die Unterdrückung. (Copyright: Ascot Elite Home Entertainment)

Der Aufstand gegen die Unterdrückung. (Copyright: Ascot Elite Home Entertainment)

Man kann gespannt sein auf ein exzellentes Cast, das nicht nur aus einer gewohnt extravaganten Tilda Swinton besteht, sondern sogar, dass sich Haupt-Revolutionär Chris Evans überraschend überzeugend zeigt und mehr auf Schauspiel, als auf die gewohnte Physis setzt. Ein gebrochener John Hurt und ein etwas an „The Truman Show’s“ Christof erinnernder Ed Harris ergänzen das Kollegium mehr als solide.

Die Ausstattung der Blu-ray kann sich sehen lassen. Das Bild ist scharf und berstend kalt, wenn es sein muss. Der Ton kommt klar im DTS HD Master im deutschen sowie auch in der englischen O-Ton Spur. Bei den Extras wird man mit Making Ofs, Clips, Sketches, Trailern und Teasern beworfen. Ein Wendecover gegen das unschöne FSK Logo spendiert man obendrauf.

Wie bereits erwähnt, setzt Bong mit „Snowpiercer“ vereinzelt auf gesellschaftliche und politische Kommentare, ohne dabei jedoch den Fokus der Unterhaltung zu verlieren. Vielmehr skizziert er ein Korsett aus Gedanken zum Thema Humanismus und Evolution und verwebt diese in seine brachiale Optik, die den Zuschauer mitzureißen weiß. Spannend, durchdacht und erwachsen, so präsentiert sich der futuristische Schneekreuzer, der durch Winde und Eis die letzten Überbleibsel der Menschheit transportiert.
Zu empfehlen ist Bongs Werk vor allem jenen, die Unterhaltung nicht nur im lauten Knall, sondern auch gern in leisen Gedanken suchen und das ganz gern auch beides zusammen. Eben etwas Avantgarde.

Trailer

 

Inhalt

SNOWPIERCER, beruhend auf der Graphic Novel SCHNEEKREUZER von Jacques Lob, Benjamin Legrand und Jean-Marc Rochett, ist bestes Science Fiction-Kino: mitreißend, klug und visuell beeindruckend. Mit einem Budget von 40 Mio Euro ist dieser in Prag gedrehte Film die teuerste koreanische Produktion aller Zeiten.

Die Erde in naher Zukunft: Ewiges Eis und Schnee bedecken den einst so grünen Planeten. Kein Leben rührt sich mehr. Nur ein Zug, der einsam durch die verlassene Schneelandschaft fährt, bietet den überlebenden Menschen noch Schutz vor der tödlichen Kälte. Hier haben sie ihre letzte Zuflucht gefunden. Doch die Masse der verbliebenen Menschheit fristet im hinteren Teil des Zuges ein Leben in ewiger Dunkelheit, während vorne die wenigen reichen Passagiere im Luxus schwelgen. Aber die Zeichen stehen auf Veränderung. Eine Revolution steht kurz bevor … Kultregisseur Bong Joon Ho (THE HOST), der bereits mit Filmen wie THE HOST und MOTHER international für Furore sorgte, konnte einen großartigen internationalen Cast vor der Kamera versammeln. In den Hauptrollen glänzen Chris Evans (CAPTAIN AMERICA), Tilda Swinton (MICHAEL CLAYTON), John Hurt (ALIEN), Ed Harris (A HISTORY OF VIOLENCE), Jamie Bell (KING KONG) und Song Kang-ho (THE HOST).

(Copyright: Ascot Elite Home Entertainment / MFA Film Distribution)

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Details

Format: Blu-ray (Dolby, DTS, PAL, Widescreen)
Sprache: Deutsch (DTS HD MA 5.1), Englisch (DTS HD MAl 5.1)
Untertitel: Deutsch
Region: B
Bildseitenformat: 1920x1080p (1.85:1) @24 Hz
Anzahl Disks: 1
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: Ascot Elite Home Entertainment
Erscheinungstermin: 23.09.2014
Produktionsjahr: 2013
Spieldauer: ca. 126 Min.
Extras: Making of / Making of (Spot) / Special Animated Clip / Production Sketches (Diashow) / Kinotrailer / Trailershow / Teaser / Wendecover

Copyright Cover: Ascot Elite Home Entertainment



Über den Autor

Emu
“Only nothing is impossible.” - Grant Morrison