Review

Nach eigenen Regeln

Irgendwo in einer abgelegenen Bergregion, die auch nicht näher eingegrenzt wird, werden Kinder und Jugendliche mit den Kampfnamen Patagrande, Rambo, Lobo, Leidi, Sueca, Pitufo, Boom Boom und Perro (Moises Arias, Sofia Buenaventura, Julián Giraldo, Karen Quintero, Laura Castrillón, Deiby Rueda, Sneider Castro, Paul Cubides) von einem namenlosen kleinwüchsigen Erwachsenen (Wilson Salazar) zu den Soldaten und Guerillakämpfern der nächsten Generation aufgezogen. Die Fäden zieht eine nebulöse Vereinigung im Hintergrund, die auf den schlichten Namen „die Organisation“ hört.

Eines Tages werden die Heranwachsenden von ihrem Ausbilder mit den Aufgaben betraut, eine Milchkuh zu hüten und eine Gefangene (Julianne Nicholson) zu bewachen. Letztere wird von den Kindersoldaten verbal entmenschlicht und schlicht als Doctora bezeichnet. Nach einer durchzechten Nacht gerät die Situation außer Kontrolle und eine fatale Kettenreaktion wird in Gang gesetzt. Nachdem sich der Anführer der Gruppe suizidiert hat, gründen die Verbliebenen eine eigene „die Organisation“ und brechen mit ihrer Geisel, der Doctora, in den Dschungel auf.

Von William Golding, über Francis Ford Coppola bis hin zu Werner Herzog

„Monos – Zwischen Himmel und Hölle“ wurde bereits an anderer Stelle als ein kolumbianischer „Herr der Fliegen“ bezeichnet sowie als „Apocalypse Now trifft auf Herr der Fliegen“ geadelt. Darüber hinaus sei der „Wahnsinn eines Werner Herzog“ in dem südamerikanischen Drama zu erblicken. Darin steckt viel Wahrheit.

Der Wahnsinn eines Werner Herzog zieht sich durch den gesamten Film. Das fängt bei der visuellen Inszenierung an, geht bei der eingängigen und außergewöhnlichen Filmmusik von Mica Levi weiter und mündet in einer befremdlichen und animalischen Welt.

Mit dem visionären „Apocalypse Now“ teilt der Film von Alejandro Landes vor allem die verschwitzte, verdreckte Optik und die Tatsache, dass sie beide Antikriegsfilme sind, die die düsteren Wahrheiten des Krieges zur Schau stellen. Doch während Coppola die Grausamkeiten des Krieges anhand einzelner Figuren im großen Rahmen verhandelt, da beleuchtet Landes im beschaulichen Kreis die Auswirkungen des Krieges und die Begleiterscheinungen – soziale Kälte, fehlende Werte, Verwahrlosung und hier ganz besonders Verrohung der Jugend.

Die Doctora (Julianne Nicholson), umgeben von den Kindersoldaten. (Copyright: DCM Film)

Am ehesten ist „Monos“ aber freilich eine moderne „Herr der Fliegen“-Interpretation. Dem kolumbianisch-ecuadorianischen Regisseur ist der Krieg als Dauerzustand aus der Heimat nicht fremd. Diese konkreten Erfahrungen wandelt der Filmemacher in allgemeine und abstrakte Grundsätze um und entwirft so eine surreal anmutende Parabel. Im Mittelpunkt dieser Parabel stehen die Kindersoldaten und deren Gruppenverhalten. Da gibt es den berufenen Anführer, den Mitläufer, den Opportunisten, aber auch den gutmütigen Helfer, der sich schlicht nach Frieden sehnt. Im Sinne einer klaren Kritik an anerzogener Zivilisation führt die Gruppendynamik hier in aller Regel vom gewaltbereiten Individuum zur enthemmten Meute. Es gilt das Recht des Stärkeren und der natürlichen, animalischen Triebe.

Jeder ist sich selbst der Nächste. Eine gebratene Kuh schmeckt besser als frische Milch.

Fazit

Mit ein kolumbianischer „Herr der Fliegen“ ist „Monos – Zwischen Himmel und Hölle“ von Regisseur Alejandro Landes in seiner Gesamtheit sehr treffend charakterisiert. Seine Eigenheit erfährt der Film insbesondere durch seine starken visuellen und akustischen Reize sowie seine fesselnden Bilder. Ein Vergleich mit „Apocalypse Now“ ist etwas zu viel des Guten. Dennoch zeigt Landes mit seinem dritten Langfilm, dass mit ihm in der Zukunft zu rechnen ist.

Trailer

Inhalt

Monos – Zwischen Himmel und Hölle“ – ein kolumbianischer „Herr der Fliegen“, der den Wahnsinn eines Werner Herzog mit der technischen Perfektion eines James Cameron verschmilzt.

In einer abgelegenen Bergregion irgendwo in Lateinamerika absolviert eine aus Teenagern bestehende Kampfgruppe von Rebellen, mit Kampfnamen wie Rambo, Schlumpf, Bigfoot, Lobo und Boom-Boom, militärische Übungen, während sie im Auftrag einer nebulösen Guerillagruppe, die nur als „die Organisation“ bekannt ist, eine Gefangene (Julianne Nicholson) und eine zwangsrekrutierte Milchkuh bewacht.

Ein Angriff aus dem Hinterhalt treibt die Gruppe in den Dschungel, ihr komplexes Beziehungsgeflecht zerreißt und die Mission beginnt schiefzugehen.

(Quelle: DCM Film)

Details

Bildformat: 2,40:1
Sprache: Deutsch (DTS-HD 5.1), Spanisch (DTS-HD 5.1)
Untertitel: Deutsch
Anzahl Disks: 1
FSK: Freigegeben ab 16 Jahren
Studio: DCM
Erscheinungstermin: 09.10.2020
Produktionsjahr: 2019
Spieldauer: ca. 103 Minuten

Copyright Cover: DCM



Über den Autor

Fabian
"Du lächelst wie jemand, der keine Ahnung hat, wozu ein Lächeln überhaupt gut ist." (Das kleine, blaue, geflügelte Einhorn Happy, in: Happy!)