Review
Vorlage neu interpretiert und modern umgesetzt
In seinem Film „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ widmet sich (Mit-)Drehbuchautor und Regisseur Dominik Graf einer literarischen Vorlage von Erich Kästner, die über die Jahrzehnte einiges aushalten und über sich ergehen lassen musste.
Heute vor allem bekannt als „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ sollte der Roman Kästners ursprünglich unter dem Titel „Der Gang vor die Hunde“ erscheinen. Bis zur Erstveröffentlichung 1931 erfolgten – auf Wunsch des Verlags – etliche Überarbeitungen, Änderungen, Kürzungen und Entschärfungen. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten war der Großstadtroman wie so viele andere auch als „entartet“ verboten.
Mit dem Film von Dominik Graf und Tom Schilling in der Hauptrolle des Dr. Jakob Fabian wird dieser umkämpfte Stoff nunmehr auf kreative und moderne Art und Weise neu interpretiert und verhandelt, wobei der Film freilich den geschichtlichen Kontext und das Leben zur Zeit des Nationalsozialismus nicht außer Acht lässt.
Handlung
Berlin, 1931: Ein Ort zwischen Untermiete und Unterwelt, wo Bordelle Ateliers sind, Nazis auf den Straßen pöbeln und der junge Fabian tagsüber als Werbetexter arbeitet und nachts mit seinem Freund Labude durch die schrägen Etablissements der Stadt zieht. Erst als sich Fabian in die hübsche Schauspielerin Cornelia verliebt, scheint sein Leben für einen Moment ein bisschen weniger düster. Als er dann aber seinen Job verliert und Cornelias Zuneigung zu ihrem Produzenten wächst, droht ihm die Situation zu entgleiten.
(Quelle: LEONINE)
Wieder ein deutscher Film im Schatten der NS-Zeit und noch dazu mit einer Spieldauer von 186 Minuten (!). Das hört sich doch erst einmal recht wenig einladend an. Und zugegebenermaßen musste die Laufzeit keineswegs derart ausufernd und überbordend sein. Nichtsdestotrotz ist „Fabian“ alles andere als angestaubt, traditionell oder verknöchert.
Gerade zu Beginn, wenn Protagonist Fabian, großartig gespielt von Tom Schilling, durch das geheimnisvoll anrüchige Nachtleben streift, dann ist das Drama immer wieder fiebrig und sehr dynamisch in Szene gesetzt; hier zeigt sich der Film besonders experimentell und außergewöhnlich. Da gibt es mitunter grobkörniges Bild bzw. grobe Qualität des Filmbildes, bisweilen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, aber immer wieder auch eine gewisse Stummfilm-Ästhetik zu entdecken. Die hiesigen Geschöpfe und Kreaturen der Nacht verleihen dem Film – ebenfalls vor allem anfangs – ein Jahrmarkt-Ambiente, um nicht sogar von einer „Freak-Show“ zu sprechen.
Der Film arbeitet mit schnellen Schnitten, ist ab und an chaotisch, wirkt getrieben – ein wenig wie Dr. Jakob Fabian, der an sich Autor werden möchte, stattdessen aber oftmals in und durch den Tag lebt. Ständiger Begleiter sind die billigen Zigaretten und der dazugehörige blaue Dunst. Die Gedanken kreisen; auch dies wird stilistisch besonders untermalt. Wortgewitter und Gedankenblitze werden eingewoben und sporadisch begleitet den Betrachter ein Erzähler, der Ähnlichkeiten mit der markanten Stimme aus den Beiträgen der „Sendung mit der Maus“ aufweist. Mit laufender Spielzeit wird das Drama dann aber auch zunehmend konventioneller. Die Form weicht nach und nach dem Inhalt und den Strapazen des täglichen Lebens.

So zärtlich ist das Leben nur selten zu Dr. Jakob Fabian (Tom Schilling) in: „Fabian oder der Gang vor die Hunde“. (Copyright: LEONINE)
Indessen hat „Der Gang vor die Hunde“ auch thematisch einiges zu bieten. Der Titel entspringt dabei unmittelbar der Handlung. Allerdings ist die obige Formulierung „im Schatten der NS-Zeit“ vorliegend ganz bewusst und wörtlich gewählt. Denn der politische Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung und die damit einhergehende Verrohung der Gesellschaft spielt durchgehend eher beiläufig eine Rolle. Im Vordergrund steht insbesondere der persönliche Abstieg. Dabei durchläuft der Denker eine nachhaltige und tiefgreifende Entwicklung. Während Fabian anfangs akademische Würden und sein beruflicher Werdegang allenfalls zweitrangig erscheinen, so ändert sich dies, als er seine große Liebe Cornelia Battenberg (Saskia Rosendahl) trifft. Von Liebe allein kann man jedoch auch nicht leben. Kurz nach dem leidenschaftlichen Kennenlernen wartet indes der Fall. Und statt eines beruflichen Aufstiegs winkt die Arbeitslosigkeit. Fabian gerät in einen Strudel des Unglücks, in einen Strudel des Verderbens.
Hier bezieht der Film – natürlich vor allem, weil die Romanvorlage es tut – sich offenkundig auch auf Arthur Schopenhauer und dessen philosophischen Pessimismus. Werte und Moral müssen dem Sittenverfall und Niedergang der Gesellschaft weichen. Und am Horizont zeichnen sich bereits Bücherverbrennungen und Zensur sowie die Schreckensherrschaft der Nazis ab.
Fazit
„Fabian oder der Gang vor die Hunde“ ist ein viel zu langer Film, der freilich teilweise anstrengend sein kann, aber über seine gesamt Spieldauer etliche Aspekte und Gründe liefert, die eine Sichtung ausgesprochen lohnenswert machen.
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Trailer
Inhalt
Berlin, 1931: Ein Ort zwischen Untermiete und Unterwelt, wo Bordelle Ateliers sind, Nazis auf den Straßen pöbeln und der junge Fabian tagsüber als Werbetexter arbeitet und nachts mit seinem Freund Labude durch die schrägen Etablissements der Stadt zieht. Erst als sich Fabian in die hübsche Schauspielerin Cornelia verliebt, scheint sein Leben für einen Moment ein bisschen weniger düster. Als er dann aber seinen Job verliert und Cornelias Zuneigung zu ihrem Produzenten wächst, droht ihm die Situation zu entgleiten.
(Quelle: LEONINE)
Details
Format: 1,33:1 (1080p/25) oder 1,33:1 (1080p High Definition/25) -> Das Bildformat ist eine künstlerische Entscheidung des Regisseurs
Tonformat: Deutsch (barrierefrei) DTS HD MA
Untertitel: Deutsch
Anzahl Disks: 1
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren
Studio:Â LEONINE / DCM
Erscheinungstermin: 14.01.2022
Produktionsjahr: 2021
Spieldauer: ca. 178 Minuten
Extras: Audiokommentar mit Dominik Graf / Making-of
Copyright Cover: © 2021 LEONINE Studios