Am 26. Juli hatten wir die Ehre, uns mit Fummelfips von Knasterbart im enorm luxuriösen Backstagebereich des Mittelalterlich Phantasie Spectaculums in Karlsruhe zu treffen. Es ist erstaunlich, wie wohnlich ein LKW wird, wenn man eine Bierzeltgarnitur hineinstellt.
Im Interview sprachen wir über die CD „Branntwein für alle“, die Zusammenstellung von Knasterbart und bekamen eine Modenschau der anderen Art zu Gesicht.
Stefan: Wer sind Knasterbart eigentlich und was wollen sie von uns?
Fummelfips: Knasterbart ist eine Band bestehend aus sieben Gossenhalunken. Vom Rinnstein direkt live für das Volk!
Was wir wollen ist eigentlich ziemlich einfach: Wir wollen euch unterhalten. Und wenn uns das gelingt, freuen wir uns. Wenn wir dabei irgendwo allerdings noch ein bisschen gratis Branntwein abstauben können, freuen wir uns umso mehr.
Stefan: Knasterbart ist eine Kollaboration verschiedener Bands. Wie kam es zu dem Zusammenschluss?
Fummelfips: Da muss ich jetzt ein wenig ausholen. Knasterbart ist momentan sehr populär in der Mittelalterszene. Die beiden bekannteren Bands, aus denen Knasterbart bestehen, sind Versengold und Mr. Hurley & Die Pulveraffen. Wir haben allerdings auch Mitglieder, die noch in anderen Bands spielen. Afterburner beispielsweise ist noch eine Band, von der zwei Mitglieder bei uns
spielen. Die sind allerdings in der Mittelalterszene nicht so bekannt.
Wie kam es dazu? Eigentlich ist Knasterbart im Ursprung ein Zusammenschluss von zwei Soloprojekten gewesen. Der Malte – der Sänger von Versengold – hat alleine die Hotze-Platte „Sauf mich schön“ gemacht und sich ein paar Musiker dazugeholt. Das waren aber alles seine Songs, die eher einen „Lagerfeuer-Stil“ haben. Dabei entwickelte er aber schon die Rolle des Hotze Knasterbart. Ein ganz ähnliches Soloprojekt hatte ich auch, das hatte sich aus einem Live-Rollenspiel entwickelt.
Vor allem über die Musik kannten wir uns schon ein wenig und haben dann zusammen dieses Gossending auf einem Liverollenspiel aufgezogen. Ich habe dabei den Charakter Fummelfips dargestellt und auch ein paar Lagerfeuerlieder gespielt. Irgendwann habe ich einen Anruf von Hotze bekommen, der meine Lieder auch gut fand und gerne mit den Songs auf die Bühne wollte. Da hatte ich natürlich Bock drauf, also haben wir uns getroffen, ein paar Lieder geübt und uns um eine Auftrittsgelegenheit gekümmert. Also haben wir unseren ersten Auftritt als Duo in der Kneipe „Zum schwarzen Keiler“ in Nienburg gespielt. Darauf folgten dann noch ein paar weitere Auftritte als Duo mit einer Gitarre und zwei Gesängen. Irgendwann kam dann allerdings eine Anfrage, ob wir nicht für eine sehr populäre, norddeutsche Band – nämlich Torfrock – als Support auftreten wollen.
Da haben wir uns dann überlegt, dass wir, wenn wir für eine so große Band als Support spielen, auch klingen wollen wie auf der Platte. Also mussten wir eine Band dabeihaben. Daraufhin haben wir ein paar Leute in unserem Umkreis gefragt, ob die nicht Lust haben, uns als Band zu unterstützen. So ist Knasterbart entstanden.
Naheliegenderweise sind da Leute von Versengold dabei, mit denen der Hotze ja ohnehin Musik gemacht hat. Auch unser Schlagzeuger Knüppelkalle ist dabei, dem ja auch das Tonstudio gehört, in dem wir die Platte gemacht haben. Er hat auch die ganzen Versengold-Alben produziert und daher auch die beiden Scheiben von Knasterbart.
Da wir uns natürlich nur Leute reingeholt haben, mit denen wir uns auch wirklich gut verstehen, ist es mittlerweile so, dass Knasterbart kein Zusammenschluss zweier Soloprojekte mehr ist, sondern wir sind eine Band geworden. Wir schreiben unsere Songs auch mittlerweile zusammen, wodurch sehr viel Kreativität entsteht.
Stefan: Warum das Konzept „Gossenfolk“? Was versteht man darunter?
Fummelfips: Was „Gossenfolk“ – oder „Gossenhauer“, wie wir das nennen – zunächst ausmacht, sind vor allem die Inhalte. Bei uns spielen die Texte eine sehr zentrale Rolle. Und die Geschichten, die wir um die beiden Halunken Hotze und Fummelfips aufbauen, sind der Kerninhalt, der vor allem unterhaltsam sein soll. Viele Leute scheinen Gefallen an eben diesen Geschichten zu finden. Die ganze Band besteht aus lustigen Charakteren, wobei mittlerweile jeder Musiker eine eigene Rolle verkörpert. Und genau das ist der Punkt: Es gibt eigentlich keinen Hintergedanken, sondern es ist einfach nur ein Gefüge aus eben diesen Rollen, die wir uns ausgedacht haben. Daraus ist das Ganze dann entstanden.
Stefan: Und der gemeinsame Nenner ist quasi die Tatsache, dass Ihr alle „Penner“ darstellt und vom Leben aus der Gosse berichtet?
Fummelfips: Ja, genau. Das sind ja keine ernsten Geschichten. Unsere Texte sind ja vor allem von viel Selbstironie getragen. Die ganze Band besteht quasi aus einer Bande von Proleten, die immer meinen, dass sie die Kings wären, aber eigentlich nichts auf die Reihe bekommen.
Stefan: Siehe den Song „Lieber widerlich als wieder nich“?
Fummelfips: Ja, genau. Eigentlich ist das ein sehr gutes Beispiel, denn das ist genau das, warum es so viel Spaß macht; vor allem warum es auch den Fans so viel Spaß macht: Die Tatsache, dass wir uns einfach nicht so ernst nehmen. Wir nehmen uns eben vor allem erst mal selber auf die Schippe, bevor wir das mit anderen tun.
Stefan: Euer Album „Branntwein für alle“ besteht quasi nur aus Hits. Seid Ihr selber zufrieden mit der Scheibe oder gibt es in Euren Augen ein paar Songs, bei denen Ihr denkt, dass man da vielleicht noch mehr draus hätte machen können?
Fummelfips: Tatsächlich nicht. Also ich bin wirklich von vorne bis hinten zufrieden mit der CD. Dazu muss man aber auch sagen, dass wir an der Scheibe ewig gearbeitet haben. Insgesamt haben wir über ein Jahr an der CD gearbeitet, und wenn nach so langer Zeit nichts Anständiges herausgekommen wäre, hätten wir uns ernsthaft Gedanken machen müssen. Ich bin wirklich rundum zufrieden mit dem Album. Die Resonanzen sind auch gut und das freut mich.
Stefan: Was ist Dein persönlicher Lieblingssong auf „Branntwein für alle“?
Fummelfips: Auf dem Album habe ich zwei Lieblingssongs. Der eine ist der Titelsong „Branntwein für alle“, weil er diese wunderschönen Arbeiterchöre hat und es uns wirklich gelungen ist, eine Hymne zu schaffen, die wirklich nach Arbeiterlied klingt.
Und der andere, der musikalisch komplett aus der Platte herausbricht, ist „Knüppelkalle“. Die Nummer war ursprünglich auch gar
nicht in dieser Form konzipiert. Wir hatten eigentlich nur einen Text und eine grobe Arbeitsmelodie. Unser Gitarrist, Hackepeter, hat sich dann noch mal hingesetzt und ein bisschen dran rumgeschraubt und irgendwann ist dann dieses abgefahrene „Proll-Metal-Folk-Gemisch“ rausgekommen. Mir macht es extrem Spaß, die Nummer live zu spielen und auch generell mag ich den Song sehr gerne.
Stefan: Für jene, die „Branntwein für alle“ noch nicht besitzen: Preise die Scheibe doch einmal an!
Fummelfips: Im Vergleich zu anderen Veröffentlichungen des Genres ist es so, dass wir vor allem – und das klingt jetzt sehr arrogant – sehr textstark sind. Im Vergleich zu anderen Bands legen wir wirklich viel Wert auf Texte, auf gute Wortspiele, auf gute Reime und auf witzige Geschichten. Und das ist gepaart mit einer großen musikalischen Virtuosität. Wir haben wirklich fast ausnahmslos studierte Leute in der Band, die ihre Instrumente seit der Kindheit lernen, das hört man beispielsweise an den Geigensoli oder – wenn man ein wenig musikalisches Gehör hat – an den Bassläufen. Es ist alles musikalisch sehr rund und das eben gepaart mit den witzigen Texten ergibt eine Mischung, die es so zumindest in der Mittelalterszene in Deutschland noch nicht gibt. Da haben wir tatsächlich etwas ziemlich Neues geschaffen. Darauf bin ich persönlich auch sehr stolz.
Stefan: Wie schwer ist es für Euch, die Band Knasterbart aufrecht zu erhalten, wenn Ihr alle noch andere Projekte habt, die Euch sicherlich sehr am Herzen liegen?
Fummelfips: Knasterbart ist tatsächlich ein Nebenprojekt und das aus naheliegenden Gründen. Wir haben ja sozusagen alle unsere Hauptbands, die unseren Lebensunterhalt sichern. Knasterbart erfordert ganz viel Organisation und verlangt uns viel Zeit ab. Vor allem unseren Familien und Freundinnen verlangt es viel ab, oft auf uns verzichten zu müssen. Wir sind ja jetzt gerade auf dem MPS in Karlsruhe und ich spiele vier Auftritte mit den Pulveraffen und heute Abend noch mal 90 Minuten mit Knasterbart, das ist
natürlich auch körperlich anstrengend. Aber wenn es einem Spaß macht, Musik zu machen – und das tut es mir mit beiden Bands und ich weiß, dass es bei Versengold nicht anders ist – dann kriegt man das auch gestemmt. Ich möchte keines dieser Projekte aufgeben, dafür machen beide einfach zu viel Spaß. Klar ist das nicht immer einfach, aber wenn man das wirklich möchte, findet man auch immer einen Weg.
Stefan: Sowohl Mr. Hurley & Die Pulveraffen als auch Versengold – und demnach auch Knasterbart – nehmen das Publikum bei Live-Auftritten irrsinnig schnell gefangen. Gibt es da ein Geheimrezept, nach dem Ihr vorgeht?
Fummelfips: Ein Geheimrezept gibt es da glaube ich nicht. Das ist ja auch von Publikum zu Publikum unterschiedlich. Ich glaube, das hat ein bisschen was mit unserer Philosophie zu tun. Denn als Musiker ist es uns ziemlich bewusst, dass das Ganze nicht ohne Publikum funktionieren kann. Das Publikum ist ein enorm wichtiger Teil eines Konzertes. Ohne Publikum, das Lust auf die Musik hat, kann kein gutes Konzert entstehen. Wir wollen dem Publikum das Gefühl geben, dass sie selber Teil der Show werden. Das
passiert ja bei allen drei Bands sehr massiv. Es ist mittlerweile ja sogar so, dass sich die Leute selber sehr vielfältige Aktionen ausdenken und das ist großartig. Wir sind immer wieder gerührt, was Fans sich so ausdenken, um sich selbst, uns und das restliche Publikum zu unterhalten. Ich kann jetzt aber nicht sagen, dass wir ein Lied nach einem bestimmten Schema aufbauen müssen, damit das Publikum mitmacht.
Stefan: Knasterbart ist zwar nur ein Nebenprojekt und Euer aktuelles Album „Branntwein für alle“ ist auch noch recht frisch, gibt es dennoch schon Pläne für die Zukunft, die Ihr uns verraten könnt?
Fummelfips: Joa, es gibt Pläne. Ob wir die preisgeben wollen, ist noch mal eine andere Sache.
Ich sage mal so: Da kommt was, wir sind aktuell im Studio und machen ein paar höchst geheime Dinge, aber was genau da passiert, sage ich noch nicht.
Stefan: Gibt es eine Frage, die Dir in einem Interview noch nie gestellt wurde, die Du aber immer schon einmal beantworten wolltest?
Fummelfips: Das ist echt gar nicht so einfach. Weil man ja doch schon ziemlich viele Interviews geführt hat.
An dieser Stelle müssen wir eine kleine Werbepause einfügen, denn Hotze betrat den unglaublich luxuriösen Backstagebereich, der im Grunde ein leerer LKW mit einer Bierbankgarnitur war, und führte ein neues Knasterbart T-Shirt an sich selbst vor, welches derart wunderschön war, dass sich der interviewführende Redakteur ebendieses schnellstmöglich zugelegt hat. Er hat den Kauf nicht bereut!
Fummelfips: Wir waren bei der Frage, die ich immer schon mal beantworten wollte. Eigentlich gibt es so was nicht. Es gibt aber
Sachen, die immer wieder wichtig zu erwähnen sind, wo man aber nicht extra nach gefragt wird.
Es ist nämlich vor allem immer wichtig, Danke zu sagen! Ich habe den unglaublichen Luxus, dass ich mit dem, was ich unfassbar Liebe – nämlich Musik zu machen – meinen Lebensunterhalt finanzieren kann. Da kann ich nur immer wieder Danke sagen, vor allem an die Fans, die das möglich machen. Natürlich auch an meine Familie, meine Freundin und meinen Freundeskreis, die mich immer wieder vermissen müssen. Es gibt also keine Frage, sondern ich möchte einfach mal einen riesen Dank loswerden an alle, die das möglich machen.
Stefan: Nun kommen unsere Keywords. Man stelle sich vor, ich würde Dir Worte an den Kopf werfen, die mir spontan eingefallen sind, als ich über dieses Interview nachgedacht habe. Bitte sage kurz zu jedem Wort, was Dir dazu einfällt.
Branntwein
Viel! Jetzt!
Gosse
Hotze
Familie
Mein Stammbaum ist ein Kreis.
Tourleben
Autobahn
Knasterbart
Chaotisch.
Musik
Leidenschaft. Moment, das ist ganz kitschig, Leidenschaft zu sagen, oder? Gerne auch: Spaß! Das ist doch eigentlich noch schöner als Leidenschaft. Spaß.
Freizeit
Kaum da.
Social Media
Notwendig
Crowdfunding
Interessant, mal auszuprobieren.
MPS
Zweite Heimat.
Wir bedanken uns ganz herzlich für dieses spannende Interview und dafür, dass uns Hotze durch seinen Prachtkörper zum Textilienkauf inspiriert hat.
Video
Kurzbio
Knasterbart – Süffisanter Folkrock der ganz besonderen Art!
Knasterbart ist eine Band aus lasterhaften Halunken, die die Welt noch nicht gesehen, geschweige denn gehört hat. Mit einem einzigartigen Musikstil, der einer Ansammlung musikalischer Schnapsideen entsprungen scheint, entführt Knasterbart die Hörer in die unterhaltsamen Abgründe längst vergangener Zeiten – mit liederlichem Humor, frivolen Wunschträumen und einer guten Portion Selbstironie. Dabei sind die Texte und ausgereiften Kompositionen des historisch gewandeten Sextetts ausschließlich aus eigener Feder und bringen einen unverwechselbaren, tanzbaren und durchaus neuzeitlichen Sound auf die Bühne, der sich fröhlich „Gossenhauer-Folk“ schimpft.
So schafft Knasterbart mit der Kombination von zahlreichen, teilweise auch ausgefallenen Instrumenten wie u.a. Geige, Kontrabass, Mandoline, Flöte und Drumset ein Live-Erlebnis, das als Folkrock-Ereignis der ganz besonderen Art bestimmt dem Einen oder Anderen lange im Gedächtnis bleiben wird.
(Copyright: Knasterbart)
Details
Knasterbart – Homepage
Knasterbart – Facebook
Diskografie:
Sauf mich schön (2012)
Branntwein für alle (2014)
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