Mit „Farewell To The Past“ veröffentlichte das inzwischen Duo gewordene Synthpop-Projekt !distain jüngst sein mittlerweile achtes Studioalbum.
Wir baten Alexander und Manfred zum Gespräch und tauchten mit den beiden in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ab. Das Ergebnis lest ihr hier.
Jasmin: Zu Beginn erst einmal eine Reise in die Vergangenheit: In eurer Bandgeschichte gab es ja nicht nur erfreuliche Geschehnisse. 2002 verließen zwei Mitglieder die Band, um sich anderen Projekten zu widmen. Wie sehr bzw. inwiefern hat euch das zugesetzt?
Alexander: Wie so oft kam diese Krise damals nicht über Nacht, sondern entstand über einen längeren Zeitraum. Auslöser für den Ausstieg war dann schließlich das Scheitern eines Major-Deals. Also mit anderen Worten: Der Frust von Sebastian und Oli war schon vor dem Ausstieg da … Manfred und ich sahen das dann eher als eine neue Chance, das „Projekt“ distain! fortzuführen …
Jasmin: In jeder Bandgeschichte gibt es – glaube ich – diesen einen Punkt, an dem man glaubt, es geht nicht mehr weiter. Seid ihr irgendwann einmal an einen Punkt angekommen, wo ihr dachtet: Das war es jetzt?
Alexander: Die Liebe zur Musik habe ich nie verloren, allerdings stellt sich in oben erwähnten Krisen manchmal die Frage, wie und in welcher Form es weitergehen kann … Das Wichtigste für mich ist es, sich die Freude beim Musikmachen zu bewahren.
Jasmin: Bereits mehrfach habt ihr den Support für And One gemacht. Wie war das für Euch? Was habt ihr von diesen Auftritten mitgenommen?
Alexander: Als Fan dieser Band ist es für mich natürlich eine Ehre. Ebenso freut es mich, dass Steve die Musik von !distain mag. Also z.B. die S.T.O.P. Fulltimeshow -Tour begleiten zu dürfen war schon etwas ganz Besonderes.
Auch mal vor 5000 Gästen zu spielen ist durchaus ein Privileg.
Wir konnten wertvolle Erfahrungen sammeln und hoffen, dies in irgendeiner Form nochmal wiederholen zu können.
Jasmin: Mit welcher Band würdet ihr außerdem gerne mal auf Tour gehen?
Alexander: OMD. Ihre letzten Konzerte waren der Wahnsinn … Cool wäre auch Camouflage / M.I.N.E., Erasure oder De/Vision.
Jasmin: Im Jahr 2015 hattet ihr – laut meiner Recherchen – im Rahmen des Amphi Festivals euer letztes Live-Konzert. Darf man hoffen, euch mal wieder dort live zu sehen?
Manfred: Wir arbeiten daran. Das Thema ist aber kein leichtes, wie man unserem Tour-Kalender der vergangenen Jahre entnehmen kann. Es war für uns mehrmals einfacher, im Ausland aufzutreten als in Deutschland. Es ist schwer zu sagen, woran das liegt. Wir sind jedenfalls bereit.
Jasmin: Ihr habt ein neues Album herausgebracht, welches den schönen Titel „Farewell To The Past“, also Abschied von der Vergangenheit, trägt. Seht ihr es eher als eben diesen Abschied oder ist das vielmehr der Startschuss für die Zukunft?
Alexander: Beides. Die Vergangenheit hat auch ihre Schattenseiten, doch sie hat uns da hingebracht, wo wir heute stehen. Mit dieser Basis können wir voller Tatendrang nach vorne sehen und unseren Weg weiter gehen.
Manfred: Es war gerade nach Ricks Ausstieg Ende 2015 wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Daraus hervorgehend haben Alexander und ich uns neu aufgestellt und u.a. die Produktion von „Farewell To The Past“ erstmals vollständig selbst übernommen. Das Album stellt einen Startschuss für die Zukunft dar.
Jasmin: Auf dem Album sind mir drei Songs aufgefallen, welche unterschiedlicher nicht sein könnten: „Der Hirtenmann“, „Letter To Myself“ und „The Cosmic Revolution“. Wie sind die Songs bzw. die Ideen dafür entstanden?
Alexander: „Letter To Myself“ ist ein sehr persönlicher Song. Ich fand die Idee sehr bewegend, mit meinem früheren Ich sprechen zu können. Was würde ich mir sagen? Aus der erwachsenen, erfahreneren Sicht. Auf jeden Fall würde ich mir Mut zusprechen.
Bei diesem Song war es wirklich so, dass ich das starke Bedürfnis hatte, ihn zu schreiben. Ich bin Manfred da auch sehr dankbar, dass er die Idee für diesen großartigen Refrain hatte, was für mich den Song erst so besonders macht!
Manfred: „Letter To Myself“ ist ein sehr gutes Beispiel für unsere Zusammenarbeit. Vergleichbar zu „Autumn Leaves“ aus dem Jahr 2004 lieferte Alex weit mehr als die Basisidee zum Song. Als wir gemeinsam an der Komposition saßen, ergab die „gebündelte Energie“ ein Resultat, dass vermutlich weder Alexander noch ich alleine hinbekommen hätten.
„Der Hirtenmann“ entstand zu einer Zeit, als Rick noch Mitglied von !distain war. Damals war die Zunahme gesellschaftlicher Strömungen nach rechts längst wieder im Gange. Der Songtext richtet sich gegen falsche Gerüchte, gegen grundlose Ablehnung des Unbekannten, gegen falsche Anschuldigungen etc.
Es war wichtig, dem Instrumental eine gesangliche Wucht beizufügen, die man bei !distain eher nicht erwartet. Insoweit war es gut, dass der Song lange „auf Eis“ lag, bevor wir vermutlich selbst wussten, wie wir ihn abschließen können.
„The Cosmic Revolution“ basiert auf einer Idee von Alexander, die wir musikalisch gemeinsam ausgearbeitet haben. Als der Text stand, war klar: Mit diesem Song soll das Album beginnen.
Generell lässt sich sagen, dass wir keine elf gleichen Songs abliefern können und auch nicht wollen. Das Leben besteht aus ständig wechselnden Atmosphären. Wir sind nicht jeden Moment unseres Lebens in der gleichen Stimmung. Daraus ein Album zu gestalten, das trotzdem einem roten Faden folgt, zählt letztlich zu den großen Herausforderungen unserer Arbeit.
Jasmin: Eure Vorabsingle „SynthPopBoy“ erreichte Platz 1 in den DAC und aktuell Platz 3 in den GEWC. Wie überrascht wart/seid ihr über das Ergebnis? Und was bedeuten derlei Chartplatzierungen für euch?
Alexander: Als ich das gesehen hatte, war ich schon ziemlich aus dem Häuschen. Wir waren ja schon oft in den DAC Charts, allerdings eben noch nie auf Platz 1. Das freut mich auch deshalb ganz besonders, weil wir die Songs zum ersten Mal komplett selbst produziert und gemischt haben. Da tut diese Art der Wertschätzung ganz besonders gut!
Jasmin: Alexander, du hast die Solo-EP „Eiskalt“ herausgebracht.
Welche Bedeutung hat diese Veröffentlichung für dich?
Alexander: Das hatte ich schon länger vor, jetzt war irgendwie der richtige Zeitpunkt dafür.
Auslöser war der Song „Perfect Day“, den ich für meine Schwester gemacht hatte (deshalb singt auch meine Tochter mit).
Das Feedback dazu war so schön, dass ich die Idee hatte, ihn zusammen mit anderen Cover-Songs zu veröffentlichen.
Jasmin: Welche Musikstile und Bands bevorzugt/hört ihr privat?
Alexander: Ich bin wohl ein typischer SynthPopBoy (lacht)
Also Synthpop von den 80er Jahren (Erasure, PetShopBoys, Alphaville) bis zu And One oder De/Vision. Finde auch die aktuellen Sachen von VNV Nation, Peter Heppner oder Jean Michelle Jarre gut.
Manfred: Ich wuchs ebenfalls mit SynthPop auf, aber auch mit New Wave, Dark Wave, Industrial und natürlich Pop im allgemeinen. Zu meinen Favoriten zählen u.a. the stranglers, The Chameleons, Sad Lovers And Giants, Bauhaus, Joy Division, Skinny Puppy, Thievery Corporation und French For Rabbits.
Jasmin: Nun kommen unsere Keywords. Man stelle sich vor, wir würden euch Wörter an den Kopf werfen, die uns spontan eingefallen sind, als wir über dieses Interview nachgedacht haben. Bitte schreibt kurz unter jedes Wort, was euch dazu einfällt:
Familie
Alexander: Sehr wichtig, vielleicht das Wichtigste.
Manfred: Wichtig, aber mit Erwartungen verbunden, denen man nicht unbedingt gerecht werden kann bzw. will.
Liebe
Alexander: Hab ich genug in mir, dass ich sie teilen kann.
Manfred: Hoffnung
Alter
Alexander: Fühle mich jünger und hoffe, das bleibt so 🙂
Manfred: Man sollte es nehmen, wie es ist.
Lieblingsort
Alexander: Mein Zuhause
Manfred: Mein Zuhause
Vergangenheit
Alexander: Ein Teil von mir, der mich auch ausmacht!
Manfred: Ein Teil, von dem man ein Leben lang geprägt und begleitet wird
Zukunft
Alexander: Auch wichtig, noch wichtiger: jetzt.
Manfred: Vorausschauende Planung
Reiseziele
Alexander: Hamburg, Regensburg, Türkei, die Welt
Manfred: Da sind nur zeitliche, gesellschaftliche/politische und finanzielle Grenzen gesetzt.
Musik
Alexander: Ein wichtiger Teil meines Lebens.
Manfred: Es wird niemals ohne gehen.
SynthPopBoy
Alexander: Das bin ich.
Manfred: Ganz klar, Alexander.
Universum
Alexander: Thema des ersten Album Songs.
Manfred: Ein schier endloses Rätsel.
Wir bedanken uns für das Interview!
Video
Details
!distain – Homepage
!distain – Facebook
Diskografie (Alben):
2004 – 25 Frames a Second
2006 – Synthphony REMIXed: !distain (Remix)
2007 – Raise the Level
2010 – Anthology 1992–2010 (Best-Of, Doppel)
2011 – on/off
2015 – Rainbow Skies At Night
2016 – The Archive Collection 1992–2016 (Best-Of, Doppel)
2018 – Farewell To The Past
Copyright Artikelbild: Barbara Andres