Disillusion aus Leipzig sind zurück.
Mit ihrer neuen Platte „ALEA“ gaben sie Fans bereits einen kleinen Vorgeschmack, in welche Richtung ihr neues Material gehen wird. Die Band schaufelte sich nun auch für uns etwas Zeit frei, um hier einen kleinen Rundumschlag der letzten Jahre und einen Ausblick in die Zukunft zu geben.
Marcus: Servus! Erst einmal vielen Dank, dass ihr Zeit gefunden habt, mit uns ein wenig zu plaudern.
Zu Beginn: Wie habt ihr euch damals kennengelernt?
Disillusion: Hallo!
Die Band gibt es ja mittlerweile seit 20 Jahren, was so gesehen ziemlich krass ist. Dann wiederum ist die Zeit so schnell vergangen und sie gehört als fester Bestandteil zu meinem Leben.
Es begann eigentlich ganz klassisch am Gymnasium in Zwickau. Da gab es schon eine Punk Rock Band, zu der ich dazukam. Nach wenigen Monaten hat sich dann Disillusion daraus geformt und wir begannen relativ energisch, Songs zu schreiben und Demos zu machen.
Dann war die Schule vorüber und Studium begann, Umzüge nach Leipzig und sonst wohin. Das war erst einmal das Ende der Band, bis ich in Leipzig 1999 mit Rajk und Jens neue Mitstreiter gefunden habe. Natürlich war das eine gänzlich neue Band; eine Zeit lang haben wir zumindest einen Song von früher noch gespielt, aber eher schnell hat sich die neue Formation eingespielt. Ja, und dann kam unser erstes gemeinsames Demo „THREE NEURON KINGS“ 2001 und hat ja gleich mal richtig eingeschlagen mit Plattenvertrag danach und so weiter.
Marcus: Seid ihr musikalisch noch auf einer Wellenlänge? Hat jeder von euch einen speziellen Musikstil, den er mag?
Disillusion: Ja, ich denke schon.
Natürlich ist es so, dass wir alle wirklich verschiedenste Musik anhören. Teil dieser Band zu sein und nur eine Schiene zu haben, das geht irgendwie nicht. Und ich bin sehr froh darüber, dass es so ist, weil wir dann auch aus den Vollen schöpfen können, wenn wir es denn wollen.
Wir treffen uns natürlich alle im Geschmack bei einer gewissen Art von Metal, einem gewissen Sound und Energie.
Jetzt ist auch besonders, dass mit Jens und mir zwei alte Herren dabei sind und mit Sebastian und Ben zwei deutlich jüngere dazugekommen sind, die natürlich die Band unglaublich bereichern mit ihrer Frische 🙂
Anders gesagt: Jens und ich hören gern mal ruhigere Sachen mittlerweile 🙂
Marcus: Im Laufe eurer Karriere habt ihr euren Musikstil immer mal gewechselt. Wie kam es dazu? Hattet ihr einfach Lust auf etwas Neues oder war es doch der Drang danach, anders zu sein?
Disillusion: Nun, ich würde nicht behaupten, dass wir „immer mal“ unseren Musikstil geändert hätten. Mit „GLORIA“ haben wir natürlich etwas anderes versucht und das zu diesem Zeitpunkt auch zu Recht und ich bin nach wie vor glücklich über die Entscheidung, denn es war einfach nicht möglich, direkt nach „BTTOS“ und der Europatour an einen Nachfolger von eben „BTTOS“ zu gehen. Die Dimension dieses Albums war bei uns selbst noch nicht wirklich angekommen, das spürten wir. Das hat mehrere Jahre gedauert.
So war es die klar bessere Entscheidung, etwas Neues, etwas Anderes, einen andere Blickwinkel zu versuchen, ohne eine Kopie anzufertigen, die dem Original nicht gerecht werden kann, weil man es noch nicht verstanden hat.
Marcus: Ich denke, dass ihr des Öfteren auf „Back to Times of Splendor“ angesprochen wurdet und werdet. Ist der Hype um das Album immer noch zu spüren?
Disillusion: Ja, Hype ist vielleicht auch ein bisschen zu viel. Irgendwo ist es ja auch Spartenmusik. Aber ja, diese Scheibe hat natürlich einiges in Bewegung gebracht und für einige Menschen auch eine Art Meilenstein gesetzt in progressiver Metal Musik. Ich leugne nicht, dass ich sehr stolz bin, diese Platte gemacht zu haben und dennoch ist es über zehn Jahre her, es darf und muss immer weitergehen.
Marcus: Wie war denn damals die Resonanz auf die Scheibe? Habt ihr viel davon mitbekommen?
Disillusion: Wir waren jung und hatten keine Erfahrung, was da passieren würde. Als wir die Platte gemacht haben, waren wir weitestgehend abgemeldet, zumindest ich. Rajk hat eigentlich alle Geschichten im Außen übernommen, ich hatte freien Rücken und habe fast nichts mitbekommen. Als wir dann nach über acht Monaten im Studio zum Mastering in Stuttgart waren, war plötzlich am selben Abend Listening Session mit der Presse. Das werde ich nie vergessen, denn es war extrem irritierend, plötzlich mit Fremden diese Musik anzuhören.
Ja, und dann kam sie raus und ich habe unglaublich viele Interviews geführt. Schnell und plötzlich war die Tour da und wir waren damit beschäftigt und irgendwie ist es immer so, dass die Zeit so schnell vorbei rennt und nach Pause ruft, um es überhaupt alles setzen zu lassen, was passiert.
Die Reaktionen waren damals schon großartig. Klar, nicht alle und nicht durch die Bank, aber hier und da fiel tatsächlich schon das Wort „Meisterwerk“. Das war krass.
Marcus: Wie in jeder Band kommt es mal zu Momenten, an denen man am liebsten alles hinschmeißen möchte. Gab es diese bei euch auch oder war zum Zeitpunkt der Schaffenspause einfach die Luft raus?
Disillusion: Etwa ein Jahr nach „Gloria“ war tatsächlich die Luft raus. In diesem Sommer 2007 musste Jens eine Pause machen, wir hatten große und wichtige Festivalauftritte, es lief alles nicht so und neue Musik stand auch nicht so wirklich im Raum. So schleichend hat sich daraus eine fast fünfjährige Pause entwickelt. Das konnte natürlich niemand ahnen. Damals zumindest nicht. Wir haben wieder angefangen mit der Band, als sich alles wieder frisch angefüllt hat.
Marcus: Genug zur Vergangenheit. Wie geht es euch heute?
Disillusion: Diese Tage erscheint nach zehn Jahren etwas Neues. Die neue Single kommt und ich kann es eigentlich noch gar nicht richtig fassen, dass es so ist. Es war immer ein Ziel und ein wichtiges Ziel, diese Band nicht einfach sterben zu lassen und sich so dem Alltag zu ergeben, so komisch wie das klingt. Wir haben es geschafft und sind sehr stolz! So geht es uns, einen Riesen Schritt haben wir gemacht, um bald an das neue Album zu gehen – das dritte Album.
Marcus: Ihr seid zurück mit einem neuen Track – „ALEA“. Wie kam es denn zu der Idee, nur diesen einen Track zu veröffentlichen? Mit ca. 10 Minuten ist es rein von der Zeit kein Epos.
Disillusion: Ha ha, das sind dann wohl die Geister, die man rief (grinst).
Ich finde, ein zehnminütiger Track kann schon ein Epos sein, auch wenn wir es ja schon mal auf 17 Minuten gebracht haben 🙂
Naja, egal, es ist ganz einfach: Wir können ein Album finanziell nicht alleine stemmen; die Band war zu lange weg vom Fenster, und um alle wieder zu erreichen und um ein sinnvolles Crowdfunding Ende 2016 machen zu können, wollten wir uns nicht nur live und mit ein paar Facebook-Bildern, sondern vor allem mit neuer Musik und irgendwie auch dem „Beweis“, dass wir noch Bock haben und dass wir es vielleicht auch noch können, zurückmelden.
Ich denke, das haben wir ganz gut gemacht so weit …
Marcus: Wie ihr lesen konntet, fand ich den neuen Song sehr gut. Gibt es schon andere Meinungen zu „ALEA“?
Disillusion: Ich habe noch nichts Schlechtes gehört 🙂
Marcus: Zum Abschluss natürlich die Frage: Was können wir von euch in der nächsten Zeit erwarten? Ich weiß, dass einige Live Shows auf euch warten. Wann wird denn ein ganzes Album das Licht der Welt erblicken?
Disillusion: Wie schon gesagt, werden wir mit der Single und unserer Tour im November Geld sammeln und das Crowdfunding für das neue Album richtig in Fahrt bringen, damit wir direkt nach der Tour mit dem Album beginnen können. Das soll und wird schnellstmöglich entstehen und erscheinen.
Wenn es nach mir geht, widme ich mich nächstes Jahr komplett dieser Band. Das möchten wir auf jeden Fall: Mit vollem Fokus und Konzentration eine neue Scheibe machen – mit der Unterstützung der Fans und in direkter Verbindung zu ihnen, weil wir wissen, dass die Verbindungen zu Disillusion für viele eine Herzensangelegenheit ist. Diese Band ist eben keine Modeerscheinung.
Marcus: Nun kommen unsere Keywords. Man stelle sich vor, wir würden Euch Wörter an den Kopf werfen, die uns spontan eingefallen sind, als wir über dieses Interview nachgedacht haben. Bitte schreibt kurz unter jedes Wort, was Euch dazu einfällt:
Subgernes
Irgendwann wird es zu kompliziert. Eigenständigkeit und Eigennamen sind wichtiger.
Elektro
Die Welt ist Elektro. Immer ein Kampf zwischen Natur und Technik oder so.
Heimat
Der Wald
Alter
Unaufhaltsam, unaufhaltsam – die ersten Gebrechen kommen 🙂
Familie
Kinder bringen einem bei, wieder zu spielen.
Natur
Der Jungbrunnen der Seele.
Freizeit
Ja, habe mal gelesen, dass es so etwas gibt.
ALEA
Zitat: Die Würfel sind gefallen! Wir haben uns entschieden, wieder angefangen und sind auf dem
Weg!
Metalszene
Ich war noch nie Teil einer Szene, bin eher der Individualist und finde das auch gut – eine Gruppe ist
eine Gruppe, Interessen sind Interessen, irgendwann wird es mir zu eng.
Getränk
Bier 🙂
Wir bedanken uns für das Interview!
Disillusion: Wir danken euch tausendfach!!
Video
Details
Disillusion – Homepage
Disillusion – Facebook
Diskografie:
1997 – Red (Demo)
2001 – Three Neuron Kings (MCD)
2002 – The Porter (EP)
2004 – Back to Times of Splendor (Album)
2006 – Gloria (Album)
2016 – Alea (Single)
Copyright Artikelbild: Disillusion