Bloodywood dürften vielen mittlerweile ein Begriff sein, sind sie doch eine Ausnahmeerscheinung und eroberten das Internet mit Talent, Witz und Charme im Sturm. Und bezieht man noch die Namensanspielung mit ein, ist es in der Tat umso witziger, dass genau Bollywood zu einem „Push“ verhalf.
Nu Indian Metal
Sind YouTube, Instragram & Co. in der Regel Fluch und Segen zugleich, war es deutlich Letzteres für die Jungs aus Delhi.
Man kennt sie, besonders für ihren Humor, aber es dürfte noch nicht bei allen angekommen sein, dass sie auch sehr engagiert sind und dieses Engagement auch gekonnt in ihren Songs transportieren. Das betrifft nicht nur das Aufmerksammachen auf allgemeinen Umstände und Schieflagen im Land, sondern besonders auch den Tierschutz. Diese Messages setzen sie gekonnt in der Manier „East Meets West“ um, kombinieren indische Eigenheiten mit „westlichen“ Metalriffs und kreieren so den „Nu Indian Metal“. Auch gerade jetzt reichen sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten einmal mehr eine helfende Hand in Form diverser sozialer Projekte.
So war es dann auch keine große Überraschung, dass sich so recht schnell der Weg in Richtung Wacken öffnete und sie dort 2019 einschlugen wie eine Bombe. Wohl verdient, denn auch diese Formation ist einmal mehr ein Beispiel, jenseits von Stereotypen zu denken, trotzdem den eigenen Traditionen treu zu bleiben und dem Sound somit etwas Einmaliges zu verpassen.
Somit nahm ich dies zum Anlass, der Formation um Karan Katiyar, Jayant Bhadula und Raoul Kerr auf den Zahn zu fühlen.
Was macht sie besonders?
Das ist einfach zu beantworten: Sie haben das Herz am richtigen Fleck und verstehen es ganz wunderbar, ihr Land mit Witz und Charme international zu vertreten und dabei Wege zu beschreiten, die man in Indien so vermutlich selten finden wird. Das sind Gründe genug, zu überzeugen.
Erfahrt also nun mehr über Bloodywood.
Dagmar: Wie seid Ihr auf den Bandnamen gekommen?
Ist es ein lustiger Witz über solche Wortspiele wie Bollywood? Wer hatte die Idee?
Karan hat sich den Bandnamen ausgedacht, als Karan und Jayant versuchten, einen eingängigen Namen für das Projekt zu finden. Ja, es ist ein Wortspiel auf Bollywood.
Dagmar: Wann und wie habt Ihr Euch kennengelernt und wie ist „Bloodywood“ zu dem geworden, was es heute ist?
Karan fand Jayant 2015 durch einen gemeinsamen Freund und mochte seinen Gesang. Beide arbeiteten an den ersten Tracks, bevor sie sich offiziell Bloodywood nannten. Später schnappte sich Raoul Kerr Karan, um ein Video für sein Projekt zu machen. Karan gefiel die Art und Weise, wie Raoul rappte, und er bat Raoul schließlich, in einem unserer Tracks mitzuwirken. Von dort aus war er in „Jee Veerey“ und „Endurant“ zu sehen, bevor er offiziell mit „Machi Bhasad“ mit an Bord kam.
Dagmar: Wer und was sind die größten musikalischen Einflüsse für die Band?
Bloodywood ist eine abwechslungsreiche Band, wir haben alle unterschiedliche Einflüsse, die von Killswitch bis zu Cattle Decapitation reichen. Ab einem bestimmten Punkt wird es schwierig, unsere Einflüsse im Auge zu behalten, da alles ineinander fließt.
Dagmar: Wie würdet Ihr die Musik beschreiben, die Ihr erschaffen habt?
Ost trifft West ist eine Schachlinie, mit der ich diese Frage gerne beantworte.
Es ist ein Teil Indiens und ein Teil der Musik, die wir lieben, Metal natürlich, die als „würziges Curry“ zusammenkommt!
In unserer Musik geht es darum, einen nachhaltigen positiven Einfluss auf den Planeten zu haben.
Es ist eine Verschmelzung des Klangs unserer Wurzeln, des universellen Klangs des Metals und der Botschaften, die unsere Texte beinhalten.
Wir glauben, dass die Welt Metal liebt, sie weiß es einfach noch nicht! 🙂
Dagmar: Was mögt Ihr am meisten daran, Musiker zu sein?
Die Menge an Verbindungen, die Menschen von verschiedenen Orten und Hintergründen mit unserer Musik haben. Es ist eines der erhebendsten Gefühle der Welt, wenn Menschen uns erzählen, wie unsere Musik eine Connection bildet und ihnen geholfen hat. Als Musiker hält uns genau das am Laufen: Die Fähigkeit, sich mit Menschen auf der ganzen Erde zu verbinden.
Wir glauben, dass Musik dort erfolgreich sein kann, wo Politik und Religion versagt haben, um Menschen zusammenzubringen und eine bessere Welt zu schaffen.
Als wir auf Tournee waren und diese Verbindung und diesen Glauben fühlten, live und in einer Halle oder in einem Club voller hunderter oder tausender Menschen wie beim Wacken Open Air, ist das ein Gefühl, für das wir leben!
Dagmar: Was hat Euch zuerst zur Musik gebracht und wer hat Euch inspiriert?
Auch hier ist Bloodywood eine abwechslungsreiche Band, aber was uns dazu gebracht hat, Musik zu machen, ist das Gefühl der Freude, das man fühlt, wenn man auf die Bühne kommt. Wir alle wollten das erleben und seit wir es endlich geschafft haben, können wir nicht genug bekommen!
Karan: Als ich mir 2006 erste Kassetten mit Metalklängen anhörte, wurde mir klar, dass ich auf der Bühne stehen und meinen Mut hinausschreien möchte!
Dagmar: Was unterscheidet Euch, also „Bloodywood“, von anderen indischen Bands?
Unser multikultureller Sound und unsere Texte machen uns anders.
Aber mach keinen Fehler, es gibt eine Menge Talente in der indischen Szene. Alles, was man tun muss, ist in das YouTube-Kaninchenloch einzutauchen!
Dagmar: Was sind Eure Ziele mit „Bloodywood“?
Wir wollen sowohl live als auch mit unseren Musikvideos auf höchstem Niveau auftreten.
Wir wollen die Kraft nutzen, die uns diese Position gibt, um eine bessere Welt zu schaffen, und wir wollen dies in einem Ausmaß tun, das noch niemand zuvor gesehen hat.
Erwartet eine Revolution!
Dagmar: Was ist das Albernste, was die Leute über Euch sagen? Ich denke, viele Leute sind immer noch konservativ denkend in Bezug auf Eure Musik. Aber ich hoffe, dass die Mischung aus Hindi / indischer Kultur (auch in den Videos gezeigt) dabei hilft?
„Jeder Inder scheißt auf die Straße“ ist wahrscheinlich unser Favorit.
Es gibt viel Hass da draußen, aber es ist so leicht, darüber zu lachen, wenn man bedenkt, wie viel echte Liebe und Unterstützung wir bekommen.
Dagmar: Wie sieht Euer Songwriting-Prozess aus?
Wir alle spielen unsere Rolle.
Karan produziert das gesamte Instrumental selbst. Jayant fügt sowohl Growling als auch sauberen Klargesang hinzu. Raoul schreibt und spielt den englischen Rap-Gesang und Karan und Jayant schreiben die Hindi-Texte zusammen.
Wir alle unterstützen uns gegenseitig mit unseren Parts und den nötigen Notizen zu unseren jeweiligen Parts.
Es ist eine Kombination aus individuellen „Anstrengungen“ und einem kollektiven Denkprozess.
Dagmar: Euer Video zu „Yaad“: Was war die Idee dahinter? Wo habt Ihr gedreht und wie unterscheidet es sich bisher von den anderen Produktionen? Könnt Ihr mir mehr über die Unterstützung erzählen, die Ihr dem Tierheim gebt? Das ist einmalig. Das Video und auch die „Take Outs“ sind ziemlich erstaunlich. Daumen hoch dafür.
Vielen Dank!
Wir haben alle Verluste auf individueller Ebene erlebt und wir haben auch so viele über die Schwierigkeiten sprechen hören, mit denen sie konfrontiert sind, diese zu überwinden. Wir wollten das Gefühl der Stärke, mit der wir unsere persönlichen Verluste überwunden haben, in ein Lied einfließen lassen und es für jeden verewigen, der es in Zeiten der Not nutzen kann.
Wir alle haben auch Hunde verloren, und unsere Verbindung zu ihnen ist eine der reinsten, die wir je gefühlt haben. Daher dachten wir visuell, dies wäre der beste Weg, um das Gefühl der Leere auszudrücken.
Es wurde zu großen Teilen im Himalaya-Gebirge gedreht. Was es anders macht, ist, dass es unsere bisher „schonendste“ Produktion ist. Wir hatten die Ressourcen, um etwas mit diesem Track zu tun, und wir suchen immer nach einer Möglichkeit, anderen sowohl im konkreten als auch im musikalischen Sinne zu helfen. Die Take Outs sagen alles. Wir haben uns mit einer Tierrettungsstiftung namens Posh zusammengetan. Ihr Krankenwagen war unbrauchbar geworden und wir hatten die Ressourcen, um einen anderen für sie zu kaufen. Nach unseren Berechnungen wird der Van in den nächsten Jahren möglicherweise bis zu 27000 Tiere retten. Es ist ein großartiges Gefühl zu geben, und wenn wir größer werden, werden wir mehr zurückgeben.
Dagmar: Eure Tour-Erfahrung besonders vor Corona: Wie war Euer Eindruck und wo habt Ihr gespielt?
Diese Zeit war nachweislich das Beste, was uns je passiert ist und wahrscheinlich gleichzeitig auch das Hektischste.
Von der Verwaltung unserer Arbeit bis zum Aufbau der gesamten Bühne sind wir zusammengewachsen.
Wir haben in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland gespielt. Wir spielten beim Dong Open Air und Wacken Open Air in Deutschland und auch beim Taman Festival in Russland.
Dagmar: Wie verlief die Tour im Allgemeinen? Was war die lustigste und was die schlimmste Erfahrung und was war das Verrückteste, was während der Tour passiert ist?
Wie ich in der vorherigen Antwort sagte, das Beste überhaupt und auch hektisch.
Die Probleme für uns begannen sofort, als das Rack, in dem wir unsere gesamte Ausrüstung montieren mussten, von unserem Hotel zurückgeschickt wurde, sodass Karan, Sahil und Vishesh sie einen Tag vor unserer Show kaufen mussten.
Dann kamen auch unsere Waren geliefert zu uns. Das ganze Fiasko war unterhaltsam und glich einem klassischen Situations-Comic. Man muss dabei gewesen sein, um es lustig zu finden. 🙂
Am verrücktesten war es, als wir in Wacken das Publikum hören konnten, das unseren Namen im Chorus rief, noch bevor wir auf die Bühne kamen. Diese Erinnerung bringt immer noch gerne Gänsehaut und war eine lebensverändernde Erfahrung. Man darf nicht vergessen, dass das für Karan und den Schlagzeuger Vishesh auch das erste Mal war, Indien überhaupt verlassen zu haben.
Dagmar: Mit wem möchtet Ihr am liebsten zusammenarbeiten?
Zach de la Rocha, Corey Taylor, Kendrick Lamar, Eminem und The Hu – unter anderem.
Dagmar: Wenn Ihr eine Show für eine Band eröffnen könntet – welche Band wäre das?
Die Frage wird viele gemischte Reaktionen der Band zur Folge haben, aber für mich (Karyan) ist es Slipknot.
Dagmar: Arbeitet Ihr alle neben Eurer Musik oder könnt Ihr komplett an Eurer Musikkarriere feilen? Ich frage, weil ich die indische Szene kenne und somit weiß, dass die meisten Musiker einem Hauptjob nachgehen.
Nein, wir sind Vollzeitmusiker und das haben wir hauptsächlich unseren Unterstützern auf Patreon zu verdanken.
Jayant und Karan haben in der Vergangenheit Vollzeit gearbeitet, aber wenn wir es richtig machen wollen, erfordert dies unseren vollen Fokus und all unsere Energie.
Wir sind sehr glücklich, dass wir die Möglichkeit haben, in Vollzeit Musik machen zu können. Wir respektieren unser Glück, indem wir so hart wie möglich arbeiten, um unsere Ziele zu erreichen und der Welt so etwas zurückzugeben.
Dagmar: Welche Botschaft würdet Ihr Euren Fans mitteilen wollen?
Danke für all die Liebe und Unterstützung, die Ihr uns gebt. Es bedeutet uns die Welt und hält uns in Bewegung. Ihr seid die Besten!
Dagmar: Und was ist der beste Rat, den Ihr erhalten habt – um ein Ende des Interviews zu finden?
Kappe das Mikrofon nicht. 🙂