Als Neuerung wollen wir in diesem Jahr nicht nur die „Comic-Highlights“ des Jahres vorstellen, sondern auch die Höhepunkte und Juwelen des Filmjahres 2021.
Während 2021 wieder mit dem Motto „Kino unter Corona“ gestartet ist (vgl. schon „Tenet & die Wiedereröffnung der Kinos“), bewirkt die Pandemie gerade im ausklingenden Jahr eine enorme Konkurrenz und stellenweise gar ein Überangebot an (sehenswerten) Filmen. Um hier nicht den Überblick zu verlieren, präsentieren wir Euch unsere – sehr – subjektive Liste der Top 10 des Jahres 2021.
Moderne Zeiten sorgen in diesem Fall für moderne Regeln. So finden nicht lediglich die Kinostarts des Jahres Berücksichtigung, sondern grundsätzlich auch die Streaming-Highlights der einschlägigen Anbieter sowie heimische Erstveröffentlichungen auf Blu-ray und DVD.
Und jetzt stürzen wir uns ohne weitere Vorrede auf das Beste der Filmbranche aus 2021.
Unsere Film-Highlights 2021
10. The Suicide Squad
Wer hätte das noch für möglich gehalten? Mit dem – gelinde gesagt – unrunden 2016er-Film „Suicide Squad“ von David Ayer schien der sogenannten „Task Force X“ von DC Comics nur ein ausgesprochen kurzes Leinwandleben beschieden zu sein. Nach einem besseren Ausflug in die Welt der schrillen Clownprinzessin Harley Quinn („Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn“) ist es nunmehr „Guardians of the Galaxy“-Regisseur James Gunn, der einer weiteren Antihelden-Truppe gehörige Starthilfe gibt.
Hier kehren mit Margot Robbie als Harley Quinn, Joel Kinnaman als Rick Flag oder auch Viola Davis als skrupellose Regierungsagentin Amanda Waller einige der bekannten Figuren zurück. Es handelt sich aber eben nicht um eine lupenreine Fortsetzung – kein „Suicide Squad 2“. James Gunn präsentiert wieder einmal schrullige neue Figuren wie den beschränkten Peacemaker (John Cena), den tumben Nanaue alias King Shark (mit der Stimme von Sylvester Stallone), Weasel (Sean Gunn) und noch etliche mehr. Dazu gibt es eine actionreiche, bisweilen brüllkomische, unerwartet harte und manchmal überraschend einfühlsame Handlung, die sicherlich nicht alles, aber doch sehr vieles richtig macht. Eine gelungene Hommage an den Söldnerfilm und das Actionkino der 80er und 90er.
9. Nebenan (Next Door)
„Nebenan“ ist das ausgesprochen unterhaltsame und schwarzhumorige Regiedebüt von Daniel Brühl. Überwiegend ist der Film ein Kammerspiel in einer speckigen Kneipe Berlins.
Der Filmstar Daniel (Daniel Brühl) macht auf dem Weg zum Flughafen bzw. zum Casting für den nächsten Superhelden-Blockbuster noch Halt in seiner „Stammkneipe“. Dort sieht er sich mit seinem Nachbarn Bruno (Peter Kurth) konfrontiert, der ihm bislang noch nie aufgefallen war. Der „wache Beobachter“ weiß indessen mehr über den internationalen Filmstar von Nebenan als diesem lieb sein kann. Es entwickeln sich im Verlauf der Spielzeit etliche herrliche Wortgefechte, die mal eine schonungslose Abrechnung mit der gegenwärtigen Filmindustrie sind, sich immer wieder um die Wende und Gentrifizierung drehen, aber auch Selbst- und Fremdwahrnehmung thematisieren.
Insbesondere Peter Kurth zeigt sich vorliegend in glänzender Spiellaune.
8. Der Rausch
Mads Mikkelsen ist mittlerweile überall auf den Leinwänden der Welt zu sehen – ob 007, Marvel oder Star Wars. Und dennoch dreht der dänische Superstar nach wie vor überaus gerne mit den heimischen Filmemachern wie Anders Thomas Jensen („Riders of Justice“) oder eben Thomas Vinterberg („Die Jagd“).
In Zusammenarbeit mit Letzterem ist „Der Rausch“ („Another Round“) entstanden und war 2021 – pandemiebedingt – endlich in den bundesdeutschen Lichtspielhäusern zu sehen. In einer Art Selbstexperiment setzt sich eine kleine Gruppe Männer mittleren Alters täglich einem Blutalkoholwert von 0,5 Promille aus. Beobachtet werden sollen die Vorteile und Nachteile eines solchen regelmäßigen Konsums. Auf den Höhenflug folgt jedoch auch der Absturz – Leidenschaft, die Leiden schafft. Nicht zufällig spielt der Film in Dänemark, wo der Alkoholkonsum (vor allem unter Jugendlichen) besonders hoch ist. Vinterberg gelingt es in diesem Rahmen indes, ohne den erhobenen Zeigefinger zu inszenieren. So geht es um die Folgen massiven Alkoholkonsums, aber vor allem um die Themen Midlife-Crisis, Leidenschaft, Motivation und Begeisterung am Leben und an der Liebe. Das Berauschtsein vom Leben.
7. James Bond 007: Keine Zeit zu sterben
Nach meinem Dafürhalten hat „No Time to Die“ wie kein anderer der Craig-Bond-Filme das Publikum gespalten. Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt; dazwischen gab es wenig. Langweilig, enttäuschend und vorhersehbar versus brachial, emotional und actiongeladen. Ungebrochen ist indessen die Begeisterung der Deutschen für den Agenten mit der Lizenz zum Töten. So war der Film mit Abstand der besucherstärkste Film in den deutschen Kinos.
Dass der Film in dieser Top 10 auftaucht, zeigt die Tendenz und die Gefühle des Verfassers zum neuen Bond. Trotz zahlreicher – bisweilen erheblicher – Schwächen trifft der Film von Regisseur Cary Joji Fukunaga bei mir am Ende des Tages die richtigen Punkte. Daniel Craig war als 007 stets wuchtiger und emotionaler als seine Vorgänger und für diese Version des Agenten ihrer Majestät findet das Finale ein würdiges Ende. Atemlose Actionszenen und besondere Verletzlichkeit erzeugen einen erinnerungswürdigen Kinoabend.
Das Warten auf den großen Blockbuster hat sich gelohnt.
6. Free Guy
In der Action-Komödie „Free Guy“ schlüpft der vielbeschäftigte Ryan Reynolds in die Rolle von Guy – ein absoluter Ottonormalverbraucher -, im Gaming-Sprech ein sogenannter non-player character (NPC). Aufgrund seiner künstlichen Herkunft ist Guy eigentlich zu einem marginalisierten Leben im Abseits verdammt. Doch das Treffen mit der Spielerin Molotovgirl (Jodie Comer) weckt in ihm die Motivation, aus seinem belanglosen Alltag und der tristen Nebensächlichkeit auszubrechen.
Während der Trailer zunächst bloß pointierte klamaukige Komik erwarten lässt, bietet der Film darüber hinaus gute Action und unerwartete Emotionen. In einigen Momenten erinnert die Komödie gar an „Die Truman Show“ mit Jim Carrey, den er stellenweise recht direkt bildhaft zitiert.
Dies ist der Gaming-Meta-Film, der „Ready Player One“ gerne gewesen wäre.
5. Luca
Disney hat auch in diesem Jahr wieder allerhand Animationsfilme veröffentlicht – sowohl in den Kinos, als auch auf der hauseigenen Streaming-Plattform. Neben den Produktionen der „Meisterwerke“-Reihe, sprich „Raya und der letzte Drache“ sowie zuletzt dem Weihnachtsfilm „Encanto“, erschien insbesondere der familienfreundliche Pixar-Film „Luca“. Bedauerlicherweise war dieser nicht in den Kinos zu bewundern, sondern ab Juni 2021 weltweit direkt bei Disney+.
Mit „Luca“ hat Pixar aufs Neue eine besonders liebevolle Coming-of-Age-Story mit italienischem Flair geschaffen. Wenn die beiden Seeungeheuer-Jungs Luca und Alberto aus dem Wasser an Land kommen, dann geht es um Abenteuer, Eis und vor allem um dicke Freundschaft. Der Familienfilm gerät (wie so oft bei Pixar) freundlich und warmherzig. Dazu ist er besonders atmosphärisch; das Ganze hat einen urlaublichen Anstrich. Erfreulicherweise kommt das unbeschwerte jugendliche Abenteuer mal komplett ohne den großen Bösewicht oder die Bedrohung der Existenz aus. Es bleibt nur zu sagen: „Silenzio Bruno!“
4. Die Mitchells gegen die Maschinen
Ein Animationsfilm, der mir noch etwas besser gefallen hat, der ebenfalls eine liebevolle, aber verrückte Coming-of-Age-Story, insbesondere für Teenager und junge Erwachsene, bereithält, ist „The Mitchells vs. the Machines“.
Der Film um eine kunterbunte und abgedrehte Familie ist – coronabedingt – umittelbar auf der Streaming-Plattform von Netflix erschienen. Die junge nerdige Hobby-Filmemacherin Katie Mitchell möchte so schnell wie möglich die Filmschule besuchen und das spießbürgerliche Familienleben hinter sich lassen. Allerdings hat sie die Rechnung ohne ihren Vater Rick gemacht, der zu diesem Anlass einen kauzigen Familien-Roadtrip plant. Nach etlichen Reibereien rückt die Familie spätestens wieder zusammen, als eine globale Roboter-Invasion ausbricht.
Unterhaltsam, bunt, liebevoll, charmant und immer wieder vollkommen von der Rolle. Der wahrscheinlich lustigste Animationsfilm des gesamten Jahres.
TOP 3
3. Dune
Die Science-Fiction-Romane von Frank Herbert galten lange Zeit als unverfilmbar. Während die bekannteste Verfilmung des Stoffes mit „Der Wüstenplanet“ bislang von Kult-Regisseur David Lynch stammte, hat sich nunmehr der kanadische Erfolgsgarant Denis Villeneuve („Blade Runner 2049“, „Arrival“, „Prisoners“) der Sache angenommen.
Und was soll man sagen? Villeneuve ist eine (fast) perfekte Symbiose aus Blockbuster und anspruchsvollem Kino geglückt. Der 2021er „Dune“ rund um die Häuser Atreides und Harkonnen ist gleichermaßen bildgewaltig, opulent und spirituell. Der Score wurde von Hans Zimmer passgenau abgestimmt. Meines Erachtens ist Villeneuve mittlerweile über jeden Zweifel erhaben und zählt zu den großen Filmemachern der Gegenwart. Der Cast (u.a. Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Josh Brolin, Stellan Skarsgård) ist schlechterdings beeindruckend und alle Akteure scheinen große Lust auf dieses Projekt zu haben; wobei vor allem Rebecca Ferguson glänzt und Chalamet unter Beweis stellt, das Zeug zum Weltstar zu haben.
Möchte man etwas kritisieren, dann dass der Film für sich genommen nur teilweise funktioniert. Lange Zeit geht es expositorisch zu und das Ende schreit geradezu nach einer Fortsetzung. Dieser Wunsch des Publikums, auch hierzulande ist der Film auf Platz 3 an den Kinokassen, wird allerdings in Erfüllung gehen. Das Sequel „Dune: Teil 2“ ist mittlerweile bestätigt.
2. Promising Young Woman
Noch vor Villeneuves „Dune“ landet „Promising Young Woman“ von Autorin und Regisseurin Emerald Fennell und sichert sich damit wohlverdient die Silbermedaille 2021. Meines Erachtens ein Film, über den Zuschauer:innen vor der Sichtung so wenig wie möglich wissen sollten. Alles klingt zunächst nach Genre-Film bzw. Rape-and-Revenge-Film; doch es soll anders kommen.
Cassie (Carey Mulligan) geht abends und nachts vollkommen allein und sturzbetrunken in Bars und Kneipen. Dabei wird sie in schöner Regelmäßigkeit von sogenannten Nice Guys angesprochen, die ihr natürlich nur helfen und sie ritterlich nach Hause bringen wollen. In den heimischen vier Wänden offenbart sich dann ein anderes Gesicht. Dumm nur, dass Cassie überhaupt nicht betrunken ist.
„Dort solltest Du als Frau nicht alleine lang laufen.“ oder „Wenn Frauen so herumlaufen, müssen sie sich nicht wundern, dass sie vergewaltigt werden.“ Derartige Sätze hört man tatsächlich auch heute noch. In gewisser Weise heißt das auch, die Frau ist doch selber schuld, wenn sie bestimmte Dinge tun oder lassen möchte. In solchen Aussagen zeigt sich nicht nur ein gefährliches Frauenbild, das auf vermeintliche Naivität abstellt, sondern insbesondere eine toxische Männerwelt, der es – mitunter nach wie vor – bereits an Problembewusstsein fehlt.
Fennell entlarvt gekonnt alltägliche Situationen und zeigt uns Szenen, die wir so – oder so ähnlich – wahrscheinlich schon erlebt haben. Carey Mulligan überzeugt in jeder Hinsicht als der wandelbare und kunterbunte Racheengel, der Missstände kompromisslos aufdeckt. Unbedingt sehenswert!
1. The Last Duel
Mit großem Erstaunen habe ich vor einigen Wochen zur Kenntnis genommen, dass mit „The Last Duel“ von Ridley Scott bereits bei Disney+ zum Abruf bereit stand – ein Film, den ich unbedingt im Kino hatte sehen wollen. Das Auswertungsfenster im Kino war geradezu lächerlich kurz. Und so wird das Drama aufgrund geringer Zuschauerzahlen mittlerweile als Flop gehandelt. Im Heimkino kann sich nunmehr das geneigte Publikum davon überzeugen, dass diese Bezeichnung dem Film nicht gerecht wird.
In einer multiperspektivischen Geschichte geht diese Buchverfilmung der Frage und der Suche nach der Wahrheit nach.
Im Fokus stehen dabei der Ritter Jean de Carrouges (Matt Damon), dessen Ehegattin Marguerite de Carrouges (Jodie Comer) sowie dessen einstiger Weggefährte und Rivale, der Junker Jacques Le Gris (Adam Driver). Während sich Jean de Carrouges eines Tages wieder einmal auf einem Feldzug befindet, nähert sich Le Gris der Ehefrau des früheren Freundes, in deren Blicken und Gesten er meint, Liebe zu erkennen. Schon kurz darauf wird der Junker der Vergewaltigung bezichtigt. Doch die Vorwürfe werden zurückgewiesen. Es kommt zu einem Duell auf Leben und Tod – möge die Gnade Gottes über das Schicksal von Marguerite entscheiden.
Wer den Trailer zu „The Last Duel“ schaut, vermutet womöglich, dass hier nach Filmen wie „Gladiator“ oder auch „Königreich der Himmel“ der nächste historische „Schwerter und Schlachten“-Film aus der Schmiede von Altmeister Ridley Scott wartet. Zwar präsentiert der Historienfilm einige wenige Schlachtenszenen und ein packendes Duell zum Abschluss. Indessen ist das Drama thematisch viel eher mit „Promising Young Woman“ verwandt. Es geht um die Rolle und das Bild der Frau, den Umgang mit Frauen sowie den Wert der Wahrheit – insbesondere wenn die Gesellschaft nicht an die Wahrheit glauben will. Der Stolz und die Eitelkeit der Männer lassen keine Schmähungen zu, während die Frau zu einer Zuchtstute verkommt.
Der Cast, der neben den vorgenannten auch noch Ben Affleck umfasst, präsentiert sich in großartiger Spiellaune. Und so ergibt sich ein intensiver und hochspannender Film, der auf zu wenigen Bestenlisten des Jahres zu finden sein wird.