Review

Komplexität der Comics

Dass sich der visionäre und mit dem Eisner Award ausgezeichnete Autor Tom King, wenn er nicht gerade die Abenteuer des Dunklen Ritters inszeniert („Batman/Catwoman 1“, „Batman 9: Flügel des Schreckens“), vorzugsweise mit den Helden aus der zweiten oder dritten Reihe befasst, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. So hat er neben der gefeierten Marvel-Serie um den lebenden Android Vision („Vision 1 – Eine (fast) normale Familie“ und „Vision 2 – Träumen Androiden von virtueller Liebe?“) insbesondere das umjubelte Meisterwerk „Mister Miracle Megaband: Darkseid ist.“ geschrieben. Mythologie, clevere Meta-Story, Abgründigkeit und Tiefgründigkeit – dies alles sind erzählerische Aspekte, die man bei King serviert bekommt.

In diese Kerbe schlägt nun auch „Strange Adventures 1 (von 2)“, der ambitionierte Nachfolger der oben bezeichneten Superhelden- und Science-Fiction-Comics. Im Fokus steht der Weltraumheld Adam Strange. Der von Flash Gordon inspirierte Sci-Fi-Abenteurer war zunächst Archäologe, bevor er eines Tages von einem Zeta-Strahl durch den Kosmos auf den fernen Planeten Rann katapultiert wurde. Dort avancierte er nicht nur zum – pulpigen – galaktischen Helden mit Jetpack und Strahlenkanone, nein, er verliebte sich auch in Alanna, die Tochter von Ranns größtem Wissenschaftler Sardath, und wurde Vater einer Tochter.

Im Fokus der vorliegenden Story stehen sowohl der irdische als auch der galaktische Held Adam Strange. Die bisherige Handlung ist dabei recht schnell erzählt.

Ermittlungen der Justice League

Adam Strange hat sich mit seiner Frau Alanna auf der Erde zur Ruhe gesetzt, nachdem beide zuvor im Krieg gegen die sogenannten Pykkten gekämpft hatten. Seinen Fans berichtet Strange auf einer Lesereise nebst Signierstunden von den Zeiten des galaktischen Krieges, wobei er überwiegend für seinen militärischen Einsatz geehrt wird. Doch plötzlich ändert sich die Gemengelage, als Adam von einem Besucher wutentbrannt als Lügner bezeichnet wird. Der Clip geht sofort viral, wie man so sagt. Noch prekärer wird die Lage, als der wütende Mann aus dem „Adam Strange-Video“ kurz darauf ermordet aufgefunden wird. Der Held vom Planeten Rann gerät naturgemäß ins Blickfeld.

Adam wendet sich an den weltbesten Detektiv, um in diesem Fall über ihn zu ermitteln; Batman soll seine Unschuld beweisen. Da der Dunkle Ritter indes davon ausgeht, in dieser Sache nicht unparteiisch sein zu können, übernimmt das Genie Mr. Terrific den Fall. Und so ermittelt er – bei einigen erheblichen Widrigkeiten – gegen einen Superhelden-Kollegen und wirbelt nach und nach Staub auf.

Ein erster Fingerzeig

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Band 1 des Meta-Superhelden-Comics überwiegend expositorischer Natur ist. King gewährt einen ersten tieferen Einblick in seine Geschichte und vor allem in die Charaktere.

Dabei bedient sich der Autor einer spannenden Erzählweise und lässt das Ganze auf zwei Zeitebenen ablaufen: Da sind die kriegerischen Ereignisse auf dem fernen Planeten Rann, wo Adam Strange zum galaktischen Helden wurde; sowie die gegenwärtigen Geschehnisse auf der Erde und vor allem die Untersuchungen in dem Mordfall.

Die unterschiedlichen Kapitel aus der Geschichte des Helden werden visuell auch unterschiedlich in Szene gesetzt – indessen gleichermaßen hervorragend. Denn für die Zeitebenen zeichnen einerseits Mitch Gerads, der schon an dem „Mister Miracle Megaband: Darkseid ist. mitgewirkt hat, sowie andererseits Evan Shaner verantwortlich, die dieses Abenteuer facettenreich gestalten.

Dass Mr. Terrifics Ermittlungen nur schleppend möglich sind und bisweilen sogar behindert werden (beispielsweise durch Alannas Vater Sardath) wirft bereits einen düsteren Schatten voraus. Unstreitig hat Strange als Kriegsheld natürlich Blut an den Händen. Fraglich ist allerdings, ob er der Saubermann und strahlende Held ist, der er vorgibt zu sein.

Leseprobe aus „Strange Adventures 1 (von 2)“. (Copyright: Panini Comics)

Da die Geschichte bislang noch recht vage und unbestimmt ist, lässt sie meines Erachtens noch Raum für Spekulationen und Projektionen aller Art. Nach meinem Dafürhalten geht es hier im Kern – jedenfalls auch – um die Relativität von Kriegsgeschichten und -helden. Nicht umsonst sagt man: Die Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben. Und jede Münze hat zwei Seiten. Bislang waren hier nur die einseitigen Geschichten von und über Adam Strange, dem strahlenden Beschützer des Planeten Rann, zu hören. Die außerirdischen Pykkten sind nicht zu Wort gekommen. In diesem Zusammenhang geht es auch um die Rolle und die Macht der Medien sowie meinungssteuernde Öffentlichkeitsarbeit.

Nach der Lektüre dachte ich gleich über mehrere Filme von Clint Eastwood in seiner Rolle als Regisseur nach, die hier passende Ansätze zur Weiterbeschäftigung liefern. Einerseits zeigen die realen Begebenheiten und die mitunter heftigen und zwiespältigen Reaktionen auf den Film „American Sniper“ die Ambiguität von Kriegshelden, die eben genau das sein können, Helden, aber eben auch faschistische Symbole und Bedeutungsträger für ein Gefühl der Überlegenheit. Andererseits musste ich an Eastwoods Projekt „Flags of Our Fathers“ nebst „Letters from Iwo Jima“ (beide aus dem Jahr 2006) denken. Denn die Spielfilme zeigen ebenfalls gemachtes Heldentum, die Ausnutzung von Soldaten sowie den Umstand, dass Geschichte immer aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden kann.

Fazit

Ein Abenteuer in zwei Bänden, wobei dem Finale die schwierige Aufgabe zukommen wird, die spannenden und interessanten Ansätze noch angemessen zu veredeln. Die richtigen Zutaten und Stichworte hat Tom King freilich schon wieder gefunden und visuell ist der Auftakt dank des Artworks von Mitch Gerads sowie Evan Shaner eine absolute Wucht.


Strange Adventures: Bd. 1 (von 2)

Inhalt

Science-Fiction trifft Meta-Superhelden-Comic

Adam Strange wurde auf der Erde geboren, jedoch im All auf dem Planeten Rann zum galaktischen Helden mit Jetpack und Strahlenkanone. Nun wird er beschuldigt, ein Kriegsverbrecher und Mörder zu sein! Das Genie Mr. Terrific ermittelt in dem Wissen, dass jeder Krieg die Dinge und selbst Helden verändert …

(Quelle: Panini Comics)

Autor

Tom King
ist ein amerikanischer Autor und Comicbuchschreiber und Ex-CIA-Officer.

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Details

Format: Softcover
Vö-Datum: 06.04.2021
Originalausgaben: Strange Adventures (2020) 1-6
Seitenzahl: 196
Sprache: Deutsch
Verlagshomepage: Panini Verlag

Copyright Cover: Panini Verlag



Über den Autor

Fabian
"Du lächelst wie jemand, der keine Ahnung hat, wozu ein Lächeln überhaupt gut ist." (Das kleine, blaue, geflügelte Einhorn Happy, in: Happy!)