Review
Der Name Satoshi Kon sollte jedem, der sich auch nur annähernd mit Manga und Anime beschäftigt hat, ein Begriff sein. Bevor er 2010 an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb, hinterließ er als renommierter Autor und Direktor der Welt viele erstklassige Werke. Die wohl bekanntesten hierzulande sind u.a. die Animes „Paranoia Agent“ und „Paprika“. Zu Ehren Satoshi Kons hat Carlsen nun den 1996 entstandenen Manga „Opus“ wieder ausgegraben und auf Deutsch veröffentlicht.
Mangazeichner Chikara Nagai ist kurz davor, seinen Manga „Resonance“ mit der entscheidenden Seite abzuschließen, als er auf einmal buchstäblich in sein eigenes Machwerk hineingesogen wird. Von da an sieht er sich seinen eigens geschaffenen Charakteren gegenüber und die Grenze zwischen Realität und Fiktion wird scheinbar immer dünner.
Satoshi Kon hat auch hier wieder einen sehr vorausschauenden Stil, eine Story zu verfassen. Obwohl dieser Manga ein paar Jahre auf dem Buckel hat, lässt sich das Ganze auch in 2015 sehr gut lesen, ohne angestaubt zu wirken. Außerdem lässt er im weiteren Verlauf von „Opus“ immer weitere Fragen aufkommen, die auch oft von philosophischer Natur sind.
Es ist seine eigene Figur, die ihm die fertig gezeichnete Szene für das Finale klaut. Das bedeutet, dass die Mangafiguren im Manga wissen, dass sie nur Mangafiguren sind und ihr Leben eigentlich nur von einem omnipräsenten Autor bestimmt wird. Was auch bedeutet, dass dieser für Tode geliebter Personen der Protagonisten verantwortlich ist. Sind diese angeblich fiktiven Subjekte also wirklich fiktiv, wenn ihnen so etwas weh tut. Und wenn sie nicht fiktiv sind, darf man dann so fahrlässig mit ihren Schicksalen umgehen? Außerdem haben sie selbst herausgefunden, dass sie nicht wirklich existieren, und können eine Verbindung zur realen Welt schaffen. Sind also alle Mangas irgendwie „lebendig“ und ist das Wort „Realität“ nur relativ, sobald die Grenze auch von der anderen Seite überquert werden kann?
Ja, „Opus“ kann den Kopf schon mal zum Rauchen bringen. Hier zeigen sich deutlich die Talente eines Animeregisseurs, den Plot der Story gleichmäßig aufzubauen, damit der Leser im gleichen Maße mitkommt, wie er alles hinterfragt. Wenn man genau liest, erkennt man auch das eine oder andere versteckte Detail, das nicht unbedingt etwas zur Geschichte beiträgt, aber dennoch unterhaltsam ist. Beispielsweise sagt Chikara Nagai zu einem seiner Assistenten: „Auf Hintergründe achtet eh kein Mensch.“
Wenn man sich die in „Opus“ dann so ansieht, muss man schon leicht grinsen, da diese äußerst detailliert in Szene gesetzt sind. Seien es nur Stadtszenerien oder ein chaotisches Mangaka-Atelier.
Oder dass an einer Stelle die Hauptfigur während einer Flucht ruft: „Sind wir hier in „Die Hard“, oder was?!“. Nur um sich ein paar Panels weiter die Glasscherben aus dem Fuß zu ziehen.
Was die Zeichnungen angeht, nun ja, wie Mangazeichnungen nun mal so aussahen in den 90er Jahren. Überwiegend realistisch, manchmal lustig und sehr ausdrucksstark. Gut zu vergleichen mit „Akira“, an dessen Animeverfilmung Satoshi Kon übrigens auch beteiligt war.
Die Charaktere des Mangas, die sich selbstständig machen, werden bereits zu Beginn im Zuge des veröffentlichenden Magazins kurz beschrieben. So spart man sich große Vorstellungen während der eigentlichen Story und als Leser grenzt man die beiden Welten sofort voneinander ab.
Und auch wenn man diese zunächst grob einschätzen kann, bleiben manche Handlungen immer noch unbegreiflich. Die Beziehung zwischen Nagai und seiner Freundin fällt zunächst sehr schwer einzuschätzen. Besonders nachdem Nagai in den Manga gezogen wurde und nun völlig durcheinander ist. So etwas gibt den Charakteren mehr Tiefe und man hat nicht das Gefühl, nur leeren Marionetten gegenüberzustehen.
Wenn man sich mit Satoshi Kons Arbeit beschäftigt und sie lieben gelernt hat, sollte mal einen Blick auf „Opus“ werfen. Man bekommt hier die gleiche nahtlose und unvorhersehbare Erzählweise, für die er bekannt war. Gleichzeitig spielt der Manga auch ganz typisch mit psychologischen Elementen, während man versucht zwischen all der Verwirrung noch klarzukommen. Ebenfalls wird hier durch die alltäglichen Dramen und den Sci-Fi-Faktor genreübergreifend gearbeitet. „Opus“ beweist, dass selbst Mangas der 90er immer noch mit der Qualität aktuellerer Titel mithalten, wenn nicht sogar sie noch ein ganzes Stück toppen können.
Handlung
In dem zweiteiligen Werk „Opus“ wird der Protagonist, ein Manga-Zeichner, förmlich in sein Werk hineingezogen und ist plötzlich mit den Geschehnissen und Charakteren der von ihm kreierten Welt konfrontiert.
2013 wurde „Opus“ in Frankreich mit dem „Prix Asie de la Critique ACBD“ prämiert und 2014 auf die Shortlist des Comic-Salons Angoulême der besten Comics gesetzt.
(Quelle: Carlsen Verlag)
Autor
Satoshi Kon (1963-2010) zählt zu den renommiertesten Anime-Regisseuren der Gegenwart. Seine Filme überzeugen durch ihre virtuose Umsetzung und das geschickte Spiel mit den Grenzen zwischen Fiktion und Realität.
Genau diese Qualitäten offenbaren auch seine Manga-Werke, die erst vor kurzem in Japan wiederveröffentlicht wurden.
(Quelle: Carlsen Verlag)
Details
Format: Taschenbuch, Softcover
Veröffentlichung: 27.01.2015
Seitenzahl: 196
Alter: empfohlen ab 14 Jahren
ISBN: 978-3-551-76868-1
Sprache: Deutsch
Verlagshomepage: Carlsen Verlag
Copyright Cover: Carlsen Verlag