Review

Wahrheit, Gerechtigkeit und der amerikanische Traum

Anders als in der Story, die wir in „Science Fiction“ veröffentlichten, benutzte dieser Superman seine Kräfte, um Gutes zu tun. Es war Science-Fiction, aber nicht in der fernen Zukunft, sondern in unserer Gegenwart. Wie Zorro hatte auch unser Held eine geheime Identität, doch keine Maske, sondern eine Brille – er sah aus wie Harold Lloyd.

Die Geschichte hatte Humor, Abenteuer und war erfrischend anders.

Autor Julian Voloj schreibt einen etwas anderen Superhelden-Comic (Copyright: Leon Simon)

Und noch bis zum heutigen Tage begeistern die Abenteuer von Superman Monat für Monat Comic-Fans überall auf der Welt. So auch uns (beispielsweise: „Superman 1: Pfad zur Verdammnis“, „Superman Sonderband 2: Super-Söhne“, „Superman: American Alien“).

Das ist eine echte amerikanische Erfolgsgeschichte. Für die Schöpfer des Mannes aus Stahl, des ersten Superhelden der Comic-Geschichte, Autor Jerry Siegel und Zeichner Joe Shuster, gilt dies jedoch nur eingeschränkt.

Die nahezu vergessene und anrührende Entstehungsgeschichte von Superman und eine besonders bittere Version der Lüge vom amerikanischen Traum erzählen der deutsche Autor Julian Voloj und der versierte italienische Zeichner Thomas Campi in „Joe Shuster: Vater der Superhelden“.

Die mitreißende Lebensgeschichte, die aus der Ich-Perspektive Shusters erzählt wird, erscheint hierzulande bei Carlsen.

Jerry Siegel und Joe Shuster

Sie sind also tatsächlich einer der Erfinder von Superman. Ich will ja nicht unverschämt klingen, aber wieso sind Sie nicht reich?

Queens New York, 1975: Eine durchaus berechtigte Frage, die ein Polizeibeamter dem Zeichner und Miterfinder der Comic-Figur Superman, Joe Shuster, stellt. Kurz zuvor hatte der junge Polizist den mittlerweile angegrauten und fast erblindeten Mann von einer Parkbank aufgelesen und ihn zu einer Suppe eingeladen.

Und Joe Shuster berichtet daraufhin ausgiebig und reichhaltig von seiner mitreißenden und außergewöhnlichen Lebensgeschichte. Dabei findet er Zeit für persönliche Erfahrungen, Karriere-Höhepunkte, aber auch und insbesondere für die Tragik, die für ihn und seinen Partner und guten Freund Jerry Siegel mit ihrer eigenen Schöpfung, der Figur Superman, verbunden sein sollte.

Nach mehreren Wohnortwechseln in seiner Jugend trifft der zu dieser Zeit schon begeisterte Comic-Fan und Zeichner Shuster in seiner neuen Heimat Cleveland, Ohio auf Jerry Siegel. Die beiden werden sofort die besten Freunde und verschlingen gemeinsam Abenteuer-, Kriminal- und vor allem Science-Fiction-Geschichten. Gemeinsam arbeiten die beiden auch an der Schülerzeitung und Joe Shuster kontinuierlich an seinen Zeichenfähigkeiten. Schnell geben die beiden amerikanischen Teenager ihre ersten Science-Fiction-Geschichten heraus.

Die Figur des Superman

Eines Tages kommt Jerry Siegel die erste Idee von einem Superman. Das künstlerische Duo arbeitet in der Folge immer weiter an dem Konzept. In den Jahren 1934 bis 1938 versuchen sie, verschiedene Zeitungshäuser davon zu überzeugen, die Figur als Comicstrip in ihren Zeitungen zu veröffentlichen.

Nach jahrelangen Rückschlägen soll der Mann von Morgen endlich doch noch gedruckt werden. Der Verlag National Publications erklärt sich im Frühjahr 1938 bereit, Siegels und Shusters Superman eine Chance zu geben. Freudig überrascht werden Siegel und Shuster sogar ausnahmsweise pünktlich bezahlt. 420 $, 130 $ davon für „Superman“, der Rest für Arbeiten, die die beiden bereits erledigt hatten. Unwissend, dass sie für besagte 130 $ auch die Rechte an ihrer Schöpfung an den Verlag abtreten.

Die erste Ausgabe von Action Comics wird ein unvergleichlicher Verkaufserfolg. Die beiden Asse hinter der Schöpfung, die für den Erfolg verantwortlich sind, merken rasch, dass sie einen Fehler gemacht haben. Sie, vor allem  Autor Jerry Siegel, versuchen in Nachverhandlungen ihr wohlverdientes Stück vom Kuchen zu erhalten. Was folgen soll, sind jedoch Jahre der Ernüchterung und Enttäuschung, geprägt von langjährigen Rechtsstreitigkeiten.

Erst spät sollten die Erfinder des ersten Superhelden der Comic-Geschichte für das von ihnen erlittene Unrecht – ansatzweise und geringfügig – entschädigt werden. Autor Jerry Siegel hatte zuvor anlässlich des ersten „Superman“-Spielfilms ein neun Seiten langes Essay, einen Brief, veröffentlicht, in welchem er auf die Leidensgeschichte der wahren Macher hinwies und die Ungerechtigkeit anprangerte.

American Nightmare

Niemanden interessiert es, wer die Geschichten schreibt. Niemanden interessiert es, wer die Geschichten zeichnet. Die Kinder interessiert nur, dass es Superman ist. Wir können euch jederzeit ersetzen. Ihr habt vielleicht das Konzept entwickelt, aber wir haben Superman zu dem gemacht, was er ist.

Mit ausgiebiger Recherche und beachtlicher Detailliebe widmet sich der deutsche Autor Julian Voloj der Lebensgeschichte von Joe Shuster. Dabei ist das Werk sicherlich gleichermaßen Jerry Siegel gewidmet, der zwar nicht aus der Ich-Perspektive erzählt, aber ebenso viel Aufmerksamkeit erhält wie sein kongenialer, zeichnender Partner.

Superman ist zwar ein wesentlicher Bestandteil amerikanischer Popkultur und Geschichte, aber die Geschichte hinter der Figur Superman ist sicherlich auch leidenschaftlichen Comic-Lesern – in dieser Ausführlichkeit – nicht bekannt. Es ist eine anrührende Lebensgeschichte über zwei tragische Helden, zwei große und ambitionierte leidenschaftliche Künstler, die ihres geistigen Eigentums auf billige Art und Weise beraubt worden sind. Glücklich wurden Shuster und Siegel mit ihrer stilprägenden Schöpfung sicher nicht.

Tragische Geschichten

Auf das erlittene Unrecht macht „Joe Shuster: Vater der Superhelden“ eindringlich aufmerksam und legt den Finger in die Wunde, die tiefe Narben in einer ganzen Branche hinterlassen hat.

Wunderbar inszeniert von Zeichner Thomas Campi (Copyright: www.michaelkery.com)

Denn Voloj begnügt sich nicht damit, auf die Missstände in Bezug auf die Herren Siegel und Shuster hinzuweisen. Auch andere Genre-Größen bekommen ihr Fett weg. So kommen am Rande auch die tragischen Geschichten um stilprägende Schöpfer wie Jack Kirby und Steve Ditko oder Bill Finger und Jerry Robinson zur Geltung. Jene standen Zeit ihres Lebens im Schatten von Machern wie Stan Lee und Bob Kane, die für (größtenteils) gemeinsame Arbeiten den großen Ruhm einheimsten.

Nicht nur, aber auch deswegen ist das vorliegende Werk sowohl für Fans des Stählernen oder von Superhelden-Geschichten, als auch für Comic-Fans im Allgemeinen interessant.

Bebildert wird das Ganze wunderbar von dem italienischen Zeichner Thomas Campi. Blasse, pastellige Farben zeichnen die Graphic Novel aus. Der Stil ist zwar keiner eines klassischen amerikanischen Superhelden-Comics, aber er passt dennoch wunderbar zu der Lebensgeschichte zweier Helden des echten Lebens, die mit ihrer Schöpfung und dem, was ihnen folgen sollte, bis heute große Freude bereiten.

Ein großer Dank dafür!

Inhalt

Gemeinsam schufen Autor Jerry Siegel und der Zeichner Joe Shuster in den 1930er-Jahren die Figur Superman und sorgten damit für einen unvergleichlichen Boom an Superhelden. Doch glücklich wurde Shuster mit seiner Schöpfung nicht, wie seine mitreißende Lebensgeschichte zeigt.
Der deutsche Autor Julian Voloj und der italienische Zeichner Thomas Campi zeigen eine etwas andere Art des „american way of life“.

(Quelle: Carlsen)

Autor & Zeichner

Julian Voloj
Der in Münster geborene Autor, Journalist und Fotograf lebt seit 2003 in New York. Sein erster Comic „Ghetto Brother“, gezeichnet von Claudia Ahlering, erschien 2015.

Julian Voloj – Facebook

Thomas Campi
Der italienische Illustrator lebt heute in Sydney, Australien. Seine Graphic Novels wurden bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. in Frankreich, Belgien und den USA.

Thomas Campi – Homepage | Thomas Campi – Facebook | Thomas Campi – Twitter

(Quelle: Carlsen)

Details

Format: Hardcover, gebunden
Veröffentlichung: 30.05.2018
Seitenzahl: 160
ISBN: 978-3-551-76920-6
Sprache: Deutsch
Verlagshomepage: Carlsen Verlag

Copyright Cover: Carlsen Verlag



Über den Autor

Fabian
"Du lächelst wie jemand, der keine Ahnung hat, wozu ein Lächeln überhaupt gut ist." (Das kleine, blaue, geflügelte Einhorn Happy, in: Happy!)