Review

Im Sog der Finsternis

Nach dem Verlust von Vater und Ehemann stürzt die Familie Byrne in tiefe Trauer und Verzweiflung. Trauerbewältigung zeigt sich jedoch auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Während die junge Tochter Daphne Byrne sich zurückzieht und von anderen Menschen weitgehend distanziert, treibt es ihre Mutter in die Arme von schurkischen Scharlatanen, die ihre Opfer nur ausnutzen wollen. In der irrationalen Hoffnung – mithilfe eines Mediums – Kontakt mit ihrem toten Ehegatten aufzunehmen, nimmt Mutter Byrne regelmäßig an kostspieligen Séancen teil.

Zwar durchschaut Daphne die Hochstaplerin, doch ihre Mutter will von alledem nichts wissen. Unterdessen fällt die überforderte Schülerin tiefer und tiefer in eine Welt voller Finsternis. Dabei wird sie von einem unheimlichen Jungen verfolgt, den nur sie sehen kann und der Daphne in die Welt des Übernatürlichen und der Monster locken will.

Beeindruckende Comic-Debütantin

Mit „Joe Hill: Daphne Byrne – Besessen“ erscheint hierzulande ein weiterer Einzelband unter der Schirmherrschaft von Joe Hill („Joe Hill: Ein Korb voller Köpfe“, „Joe Hill: Das Puppenhaus“, „Joe Hill: Im tiefen, tiefen Wald“).

Und diesmal wird es finster und historisch, und zwar im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der Band – unter dem Banner von Hill House Comics – stellt das Debüt von Bühnen- und TV-Autorin Laura Marks in der Welt des grafischen Erzählens dar. Und es gelingt ihr prompt, ihre Fertigkeiten auch in diesem Bereich unter Beweis zu stellen.

Leseprobe aus „Joe Hill: Daphne Byrne – Besessen“.
(Copyright: Panini Comics)

Vor historischem Hintergrund widmet sich Marks einer frauenfeindlichen und antiemanzipatorischen Epoche, in der wohlhabende Witwen zum Freiwild werden, und engagierte und mitdenkende junge Frauen nur wenig Aussicht auf eine bessere Zukunft haben. Mutter Byrne ist sich der sozialen Machtverhältnisse schmerzlich bewusst und versucht verzweifelt, sich ihre Stellung in der Gesellschaft über spiritistische Séancen zu erhalten. Ein hoffnungsloses Unterfangen.

Unterdessen ist ihre junge Tochter Daphne Byrne – die titelgebende Hauptfigur – scheinbar tatsächlich ein empfindungsfähiges Medium. So erzählt Laura Marks über die eigentliche Handlung eine Geschichte von Trauer, Schmerz und Einsamkeit, aber auch von Wahnvorstellungen sowie Besessenheit. Dies äußert sich vorliegend allerdings mit weit weniger Schockeffekten als in anderen Besessenheits-Werken (etwa William Friedkins „Der Exorzist“). Der Fokus liegt auf einer dichten Atmosphäre und besonders wirksamer Gänsehautstimmung. Die Erscheinungen der Daphne Byrne können dabei freilich als die inneren Dämonen einer zutiefst verzweifelten jungen Frau interpretiert werden.

Zu dieser doppeldeutigen Geschichte – mit offenen Interpretationsmöglichkeiten – passen die schaurigen und düsteren Bilder sowie der außergewöhnliche Stil von Horror- und Batman-Künstler Kelley Jones („Batman: König der Angst“) hervorragend.

Fazit

Diesmal also intelligenter Spiritismus- und Besessenheits-Horror. Auch die Arbeit von Autorin Laura Marks unter dem Banner des DC-Imprints vermag zu überzeugen und beweist erneut, wie vielseitig und facettenreich der moderne Horror ist.


Joe Hill: Daphne Byrne – Besessen

Inhalt

Horror von BATMAN-Ikone Kelley Jones!

LOCKE & KEY-Erfinder Joe Hill präsentiert einen weiteren Einzelband aus seinem Haus des Horrors.
Diesmal entführen uns TV-Autorin Laura Marks (The Expanse, The Exorcist) und Comic-Legende Kelley Jones (BATMAN) ins New York des Jahres 1886.

Nach dem Tod ihres Vaters gerät die junge Daphne in die Welt des Übernatürlichen und ihrer Monster …

(Quelle: Panini Comics)

Details

Format: Softcover
Vö-Datum: 27.04.2021
Originalausgaben: Daphne Byrne 1-6
Seitenzahl: 164
Sprache: Deutsch
Verlagshomepage: Panini Comics

Copyright Cover: Panini Comics



Über den Autor

Fabian
"Du lächelst wie jemand, der keine Ahnung hat, wozu ein Lächeln überhaupt gut ist." (Das kleine, blaue, geflügelte Einhorn Happy, in: Happy!)