Review
Nach dem Lesen des Buches „Notizen einer Verlorenen“ von Heike Vullriede muss man erst einmal ausatmen, denn weder Banales noch Triviales bietet die aus Essen stammende Autorin in ihrem Roman, der im Luzifer-Verlag erschien.
Obschon man es vielleicht nach den ersten Seiten vermuten kann, ist es nicht ausschließlich das Thema Suizid, welches Vullriede mit „Notizen einer Verlorenen“ versucht, in den Fokus zu rücken, vielmehr geht sie tiefer und möchte die Ethik und das Für und Wider der etwas anderen Sterbehilfe anhand ihrer Geschichte um die Protagonistin Sarah und dem geheimnisvollen Verein „Haus der Verlorenen“ verdeutlichen.
Die Frage, ob nicht jeder sterben darf, wie und wann er es möchte, ist Ausgangspunkt für diesen Verein und der in „Notizen einer Verlorenen“ präsentierten Handlung, die neben klassischen Elementen des Dramas zudem Züge eines Psychothrillers besitzt.
Diese kommen immer wieder durch überraschende Wendungen – verstärkt insbesondere gegen Ende des Romans – zum Ausdruck. Damit nimmt die Spannung zu, gleichzeitig wird der Leser schockiert und ernüchtert.
Weniger im Zentrum steht das jeweilige „Warum?“. Vullriede beleuchtet nur oberflächlich, was die Haupt- und Nebenfiguren zum in Erwägung gezogenen Selbstmord treibt, welches Leid sie plagt, gegen welche inneren Dämonen sie scheinbar täglich ankämpfen.
Körperliche sowie psychische bzw. neurologische Krankheiten wie Krebs, Migräne und Depressionen werden am Rande erwähnt, jedoch nicht näher ausgeführt. So kann der Leser, der damit selbst keine Erfahrungen (welcher Art auch immer) gesammelt hat, nur erahnen, wie es Menschen bzw. den Figuren mit diesen Krankheitsbildern und Symptomen ergehen muss.
Dies führt gleichzeitig dazu, dass für jene Leser das Handeln und die Entscheidungen einzelner Charaktere nicht immer nachvollziehbar sind. Vullriede hätte die diesbezüglichen Hintergründe intensiver ausarbeiten/thematisieren können, allerdings hätte dies gleichzeitig sowohl den Umfang des Buches gesprengt, als auch in eine Richtung geführt, die der Roman letztlich nicht einschlägt. Daher ist es gut so, wie es ist.
Denn seine Wirkung verfehlt das Buch keineswegs. Es regt zum Nachdenken an, macht betroffen, lässt eigene moralische und ethische Vorstellungen überdenken und schockiert zuweilen auch.
Dabei wirkt die Geschichte die meiste Zeit so authentisch, dass sie nicht unbedingt ausgedacht erscheint. Umso erschütternder berührt der Inhalt die Lesenden.
Anders als im klassischen Drama üblich baut sich der Plot von „Notizen einer Verlorenen“ auf. Trotz der bereits zu Beginn genannten Tatsache, dass die Protagonistin durch einen scheinbaren Selbstmord tot aufgefunden wird, somit ihr Ende bereits zu Anfang festgeschrieben steht, verlieren die nächsten Seiten nichts an Spannung und Dramatik. Dies ist Vullriede sehr gut gelungen.
Außerdem ist ihr Schreibstil sehr angenehm. Die Autorin weiß sich mit Worten auszudrücken, sodass man das Buch in Kürze durchgelesen hat. Dabei wird sie ihrem thematischen Anspruch auch stilistisch gerecht.
Rein optisch hätte man allerdings den Inhalt in außergewöhnlicherer Form auf den Titel abstimmen können. Während nämlich der Beginn der gefundenen „Notizen einer Verlorenen“ noch kursiv in Handschrift-ähnlicher Schriftart gedruckt wurde, präsentiert sich der Rest des Werkes wie ein herkömmlicher Roman. Es wäre schön gewesen, wenn man die tagebuchartige Form und den Seelenzustand sowie die Emotionen der Protagonistin in der Darstellungsweise des Textes wiedergefunden hätte.
Dafür überzeugt das in sich stimmige Coverartwork, welches – ließe man diesbezüglich der eigenen Interpretation freien Lauf – sowohl das Lauern der inneren Dämonen als auch die Tristesse der Gemütszustände der Figuren widerspiegeln könnte, und die Veröffentlichung mit seinen Schwarz-weiß- bzw. Grautönen gelungen und in seiner Schlichtheit abrundet.
Inhalt
Im dämmrigen Licht alter Petroleumlampen in einer verlassenen Scheune entdeckt ein Unbekannter die Leiche von Sarah.
Fliegen schwirren um ihren Kopf, der unter der Last eines schweren Ofens – Teil einer bizarren Maschinerie – zerquetscht wurde.
Unter ihrem Körper findet sich ein rotes Notizbuch. Es enthält Aufzeichnungen der letzten Wochen ihres jungen Lebens: die Notizen einer Verlorenen …
(Quelle: Luzifer-Verlag)
Autor
Heike Vullriede, geboren 1960 in Essen, verheiratet, 3 Kinder, wohnt im schönen Münsterland, ist Mitglied der Autorenvereinigung e.V., der Deutschen Buddhistischen Union und der Künstlervereinigung Rekener Farbmühle e.V..
Seit 2013 ist sie Teil der Autorengruppe LitVier.
Ihre Geschichten handeln von Menschen, die eine Entwicklung durchmachen. Dabei ist es egal, in welchem Genre sie sich bewegen. „Die Gedanken eines Menschen, die Welt in seinem Kopf, bieten eigentlich schon alles, was eine spannende Geschichte ausmacht“, so Vullriede.
2008 stieg Vullriede komplett aus, um sich dem Schreiben (und Malen) zu widmen. 2011 wagte sie sich mit ihren Texten in die Öffentlichkeit und 2012 erschien dann ihr erster Roman. Ein zweiter folgte 2013.
Inzwischen ist sie beruflich nur mit Literatur beschäftigt „(zum Malen kommt sie zurzeit kaum) und ja – das ist Arbeit. Aber eine Arbeit, die erfüllt. Es war eine gute Entscheidung gewesen, einen Schritt ins Ungewisse zu wagen. Sie bereut nichts, auch, wenn es natürlich schwierig ist, von Kunst zu leben.“
(Quelle und Copyright: Heike Vullriede)
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Details
Format: Broschur, Softcover
Vö-Datum: 28.11.2013
Seitenzahl: 264
ISBN: 978-3-943408-22-5
Sprache: Deutsch
Verlagshomepage: Luzifer-Verlag
Copyright Cover: Luzifer-Verlag