Review
Technischer und medizinischer Fortschritt gehen gewissermaßen Hand in Hand. Was im Bereich der Heilung von Krankheit, Siechtum und Behinderung einst Science-Fiction war, wird durch neuste Entwicklungen ermöglicht. Neue Hornhäute, digitale Hörimplantate und programmierbare Prothesen sind heute nicht mehr bloße Fantasie eines Buchautoren. Immer offen bleibt aber dabei die Frage: Wie weit darf der Mensch gehen?
Daniel H. Wilson widmet sich den technisch möglichen und ethisch zulässigen Grenzbereichen in seinem zweiten Roman „Das Implantat“.
Nachdem er die Welt in seinem Roman „Robocalypse“ beinahe an ihrer Modernisierungswut zugrunde gehen ließ, liegt dieses Amerika in nicht allzu ferner Zukunft gerade kurz vor dem revolutionären Umbruch. Aus dem edlen Gedanken heraus, mentale oder körperliche Defizite einzelner Menschen auszugleichen, wurden Gehirnimplantate entwickelt, die beispielsweise Epilepsie oder Blindheit heilen oder einen verminderten IQ ausgleichen können. Schnell wird aus der unterstützenden Technologie jedoch mehr als das: Durch eine relativ komplikationslose Operation kann auch bei einem Durchschnittsbürger auf allen Ebenen die Gehirnaktivität gesteigert werden. Die Implantatträger, auch „Amps“ genannt, werden schneller, schlauer, besser. In rasantem Tempo wird das Hilfsmittel zum mentalen Doping.
Nachdem eine halbe Million Implantate allein in den USA eingesetzt wurden, rückt das Thema durch ein brisantes Urteil in das mediale Zentrum der Nation: Durch den intellektuellen Vorsprung käme jugendlichen „Amps“, auch wenn sie eigentlich schulpflichtig wären, kein Recht auf Bildung zu. Diese Entscheidung löst eine kaum beherrschbare Kettenreaktion aus. Angeführt von dem „Pure Human Citizen’s Council“ und auf der Gegenseite der „Free Body Liberty Group“ entwickeln sich bürgerkriegsähnliche Zustände. Implantatträger werden entrechtet, vertrieben und in Ghettos zusammengepfercht. Auf der anderen Seite nehmen ehemalige Elitesoldaten mit besonderer Technik im Kopf Rache für die Gewalttaten und schüren so die Konflikte.
Mittendrin findet sich der Lehrer Owen Grey nicht nur in nationalen Unruhen, sondern auch in einer persönlichen Krise wieder.
Die Schülerin, die in dem entscheidenden Urteil der Schulbehörde unterlag, besuchte seine Klasse und begeht vor seinen Augen Selbstmord. Sie ahnte, welche weitreichenden Folgen auf alle Implantatträger zukommen würden.
Zwar ist Owen ebenfalls Implantatträger, er sieht sich jedoch auf der sicheren Seite. Schließlich wurde er nicht „verbessert“, es sollte lediglich seine Epilepsie geheilt werden. Umso schockierender ist für ihn die Erkenntnis, dass die medizinische Indikation für die Technikgegner unbedeutend ist – und dass er den Prototypen der Militärtechnik im Kopf hat. Der Lehrer muss sich entscheiden: Will er weiterhin fliehen – oder wird er seine besonderen Fähigkeiten für das Ende des Konflikts einsetzen?
Der Autor hat sich ob seiner besonderen Fähigkeiten entschieden, sie nicht nur für Sachbücher, sondern auch für Romane zu nutzen. Ausgestattet mit naturwissenschaftlichen Kenntnissen und einem Doktortitel in Robotic, versteht er es, komplexe technische Vorgänge verständlich zu machen.
Allerdings fehlt ihm dafür auf der moralischen Seite manchmal etwas Einfühlungsvermögen für seine Charaktere.
Die besondere Stärke der Erzählung liegt aber in den unterschiedlichen Quellen. Neben den Kapiteln, welche die Perspektive des Protagonisten zeigen, steuern Zeitungsartikel, Liveticker und Bedienungsanleitungen wichtige zusätzliche Informationen ein.
Wie bei einem Uhrwerk bilden die einzelnen Elemente am Ende ein großes, funktionierendes Ganzes, das die digitalen Herzen von Science-Fiction- und Dystopiefans höher schlagen lassen wird.
Inhalt
Eine nahe Zukunft
Eine Technologie,
die die Menschheit spaltet
Der Kampf
um die Menschlichkeit beginnt
(Quelle: Droemer Knaur)
Autor
Daniel H. Wilson wurde am 6. März 1978 in Tulsa, Oklahoma geboren – oder vielleicht doch von Robotern unter die Menschen geschmuggelt: Schon als Kind versuchte er, seinen Computer zum Sprechen zu bringen, und verliebte sich in das Androidenmädchen einer Fernsehserie.
Nach der High School studierte Daniel H. Wilson neben Informatik alles, was mit künstlicher Intelligenz zusammenhängt, bevor er 2005 am Institut für Robotertechnik in Pittsburgh den Doktortitel für Robotik erwarb. Neben Artikeln für das „Popular Mechanics Magazine“ veröffentlicht er sehr erfolgreich Anleitungen, wie man einen Roboteraufstand überlebt. Daniel H. Wilson lebt heute in Portland, Oregon, in den USA. Seine besten Freunde sind Werkzeuge – und er arbeitet, wie er selbst betont, für die Mächte des Guten.
(Quelle: Droemer Knaur)
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Details
Format: Quality Paperback
Vö-Datum: 03.03.2014
Seitenzahl: 368
ISBN:Â 978-3-426-51348-4
Sprache: Deutsch
Verlagshomepage: Droemer Knaur
Copyright Cover: Droemer Knaur Verlag