Review
Willkommen im Fegefeuer, willkommen im Kino.
Zuletzt haben wir uns mit „Cinema Purgatorio – The Vast“ von Autor Christos Gage („Spider-Verse: Spider-Zero“) und Zeichner Gabriel Andrade bereits einen Titel aus der Anthologie-Reihe unter der Schirmherrschaft von „Vorführer“ Alan Moore angeschaut und eine dringliche Leseempfehlung ausgesprochen. Hierzulande erscheinen die düster-fantastischen Comics – nur für eine erwachsene Leserschaft – rund um Horror, Crime und Riesenmonster im Dantes Verlag.
Beim Grundtenor düster und fantastisch lässt sich einer sicherlich nicht lange bitten: Autorenlegende und The Boys-Schöpfer Garth Ennis („Punisher: Soviet – Russische Sünden“, „A Walk through Hell 2: Die Kathedrale“, „Punisher: Witwenmacher“, „Crossed Monster-Edition: Band 1“). So ist der nordirische Comic-Autor für seine bitterbösen, schwarzhumorigen und erbarmungslosen Publikationen ja geradezu berühmt-berüchtigt.
Welchen Eindruck dessen erster Beitrag „Cinema Purgatorio – Code Pru“ innerhalb der Cinema-Purgatorio-Serien hinterlässt, und ob Ennis seinen hartnäckig tradierten Ruf pflegt, verraten wir euch hier.
Scharfzüngige Ersthelferin vor bizarr-skurriler Kulisse
Protagonistin Prudence Slapweather alias Pru wurde von zwei ziemlich verqueren Außenseiterinnen großgezogen. Das Hauptaugenmerk der Erziehungsberechtigten lag darauf, Pru zum Anderssein zu animieren – auf Teufel komm raus. Am Ende des Tages ist aus Pru zwar tatsächlich eine eigenwillige und unangepasste junge Frau geworden. Im Kern möchte sie allerdings nur ein ganz normales Leben führen. Wenig hilfreich ist dabei wiederum ihr Arbeitsalltag bzw. ihr neuer Job als New Yorker Ersthelferin. Denn dort heißt es: Vorhang auf für den Wahnsinn von New York.
Das kommt natürlich nicht von ungefähr: Wohl kaum eine Metropole der Welt wurde in der reichhaltigen cineastischen Geschichte derart häufig durch Naturkatastrophen zerstört und verwüstet oder von Aliens, Monstern oder Geistern heimgesucht wie The Big Apple. Man denke nur an „King Kong und die weiße Frau“, natürlich die legendären „Ghostbusters“, „Independence Day“, „Men in Black“ oder auch Roland Emmerichs „Godzilla“. Garth Ennis hat also gute Gründe, seine Titelheldin im Empire State auf die Reise zu schicken. Und so begegnet Pru im Alltag allerhand (nicht alltäglichen) absonderlichen Wesen wie Vampiren, Mumien, Hexen und noch mehr.
Und wie sich zeigt: Monster sind auch nur Menschen. Während etliche Menschen Monster sind. So begleiten wir Pru durch die Gassen und Häuserschluchten, aber auch über die Dächer Manhattans, während sie von ihrem einfühlsamen Kollegen unterstützt wird.
Die merkwürdigste Kreatur weilt jedoch unter der Stadt, ist Prus Chef, Jon Squidpump, und spielt Monopoly mit einem Lovecraftschen Tentakelmonster.
Es geht fulminant weiter
Superstar Garth Ennis schafft den Spagat, sich selbst (überaus) treu zu bleiben und Alan Moores „Cinema Purgatorio“-Konzept gekonnt zu bedienen.
Mit Pru entwickelt der Autor eine starke und charismatische Titelfigur, der man nur allzu gerne auf ihrer Reise durch ein völlig abgedrehtes New York folgt. Dabei ist die Story allerdings auch gespickt mit liebenswürdigen und verrückten Nebenfiguren, die ordentlich Pfeffer in die Handlung bringen. Sprache, Dialoge, Darstellungen und Handlungen sind vom Gesamteindruck derb, explizit, bisweilen sexuell, natürlich politisch kontrovers und immer wieder schlicht kompromisslos – typisch Garth Ennis eben. Der prägende „Punisher“-Autor präsentiert ein alltägliches Horrorszenario, in welchem sich Monster und Gestalten aus aller Welt tummeln. Eben Alltag mal anders. Im Wesentlichen ist die Erzählung indessen vor allem humorvoll, kurzweilig und unterhaltsam. Tatsächlich grauen- oder furchterregende Momente tummeln sich wenig bis selten.
Der Arbeitsalltag der Ersthelferin ist im Übrigen mit viel Liebe und „Cinema Purgatorio“-konzeptgetreu umgesetzt. Ennis bedient sich aus dem reichhaltigen Schatz des Genrekinos und versieht sein Werk mit unzähligen Anspielungen, Querverweisen, Bezugnahmen und Zitaten – eine bis zum Rand gefüllte Genre-Blockbuster-Wundertüte.
Hilf- und aufschlussreich sind auch in diesem Buch die von Dantes beigefügten erläuternden Anmerkungen, die sich nach jedem einzelnen Kapitel finden. Auch wenn deren Vorhandensein für das Lesevergnügen nicht zwingend notwendig ist.
Die stilistische Atmosphäre und das besondere Genre-Gefühl profitieren dabei maßgeblich von den detailverliebten Zeichnungen des Könners Raulo Cáceres; wie schon bei „The Vast“ kommt das getuschte Artwork auch vorliegend ausschließlich in ausdrucksstarkem Schwarz-Weiß daher. Das sieht schlechterdings wahnsinnig gut aus.
Fazit
Auch Ennis‘ und Cáceres‘ Beitrag zu Alan Moores (voraussichtlich) letztem Comic-Programm erhält von uns eine klare Leseempfehlung. Film ab!
Cinema Purgatorio präsentiert: Code Pru
Inhalt
Willkommen im Fegefeuer, willkommen im Kino.
In der heutigen Vorführung zeigen wir Episoden aus dem Arbeitsalltag einer New Yorker Ersthelferin mit Namen Prudence Slapweather oder kurz: Pru. Pru ist eine moderne junge Frau und auf ihre ganz eigene Art nonkonformistisch. Eigentlich ist sie (auf sich allein gestellt nach dem mysteriösen Tod ihrer Stiefeltern, die einer Wolverine-Skulptur zu nahe gekommen zu sein scheinen) bestens gerüstet, ihr Leben in die eigenen, latexbehandschuhten Hände zu nehmen. Alles könnte laufen wie im Lehrbuch: Verletzte versorgen, Leben retten, einen Lover finden … wäre da nicht ihr Arbeitsplatz, New York. In den Häuserschluchten Manhattans tummeln sich bekanntermaßen seit jeher teils zwielichtige Gestalten aus aller Welt – entfernte Galaxien und die tieferen Kreise der Hölle inbegriffen. Aber die zwielichtigste Gestalt von allen ist Prus Chef, Jon Squidpump, der in seiner Freizeit gern Monopoly spielt … im hermetisch abgeriegelten Kellergeschoss des von ihm geleiteten Krankenhauses … mit einem Tentakelmonster, das vorgibt, ein Älterer Gott zu sein …
(Quelle: Dantes Verlag)
Details
Format: Hardcover
Veröffentlichung: 11.07.2020
Seitenzahl: 248 (in s/w)
ISBN: 978-3-946952-56-5
Sprache: Deutsch
Verlagshomepage:Â Dantes Verlag
Copyright Cover: Dantes Verlag