Review

Snyder und Albuquerque

Ich räume eines vorweg ganz freimütig ein: Ich habe bisher keines der ursprünglichen 34 US-Hefte und ebenfalls keines der 11 Hefte des sogenannten „Second Cycle“ gelesen. Diese sind noch unter dem DC-Vertigo-Banner erschienen. Hierzulande sind bislang insgesamt sieben Sammelbände des Vertigo-Hits bei Panini Comics veröffentlicht worden.

Eine große Besonderheit der ersten Ausgaben der Bestsellerserie: Stephen King feierte mit dieser Reihe sein Debüt als Comic-Autor. Jedenfalls war King für die allerersten fünf US-Ausgaben mit an Bord.

Was hat mich nun dennoch dazu bewogen, einen Blick auf das Finale „American Vampire 1976“ zu werfen?
Nun, zugegebenermaßen habe ich mich schlicht und ergreifend von den kreativen Köpfen, nämlich Autor Scott Snyder („Batman: Der letzte Ritter auf Erden“, „Batman: Der schwarze Spiegel“) und dem großartigen Zeichner Rafael Albuquerque („Eine Studie in Smaragdgrün“), anziehen lassen. Diese beiden Namen haben mein Interesse zu sehr geweckt, als dass ich mir diese (nunmehr DC Black Label-)Erscheinung hätte entgehen lassen können. Ich habe also den Sprung ins komplett kalte Wasser gewagt.

Ein Vampir namens Skinner Sweet

Jener steht im Fokus der „American Vampire“-Abenteuer.

Skinner Sweet, einst der erste amerikanische Vampir, lebt in den USA und ist aufgrund eines evolutionären Sprungs kein gewöhnlicher Vampir. Beispielsweise ist der Rowdy gegenüber Sonnenlicht unempfindlich und verfügt über besondere Fähigkeiten und Kräfte. Allerdings hat Skinner seine Unsterblichkeit eingebüßt und folglich ein Stück weit seine Bestimmung verloren. So vertreibt er sich nun als waghalsiger Motorrad-Stuntfahrer seine Zeit und hat seinen persönlichen Abgesang bereits vorbereitet. Noch ist Skinner Sweets Zeit jedoch nicht abgelaufen. Allerhand Wesen versammeln sich, um ein berüchtigtes Monstrum zum Leben zu erwecken: „das Tier“.

Die Vampirin Pearl Jones, mit der Skinner eine lange und tiefgreifende Geschichte verbindet, sucht ihn auf und überredet ihn zu einer letzten Mission zur Rettung der Erde.

Licht und Schatten

Ehrlicherweise muss man sagen, dass eine besondere Einsteigerfreundlichkeit hier nicht gegeben ist. Das kann naturgemäß kein Vorwurf, aber für Interessierte dennoch ein hilfreicher Hinweis sein. So lässt sich der Story von Erfolgsautor Scott Snyder zwar problemlos folgen und man findet auch einen Bezug zu den Figuren und ihren Eigenschaften. Nichtsdestotrotz lässt sich ein Gefühl des „Etwas-Verpasst-Habens“ schlicht nicht von der Hand weisen. Etliche Verweise auf die vorherigen Ausgaben machen der Leserschaft deutlich, dass hier mehr als bloß lose Zusammenhänge zu vorherigen Ausgaben bestehen.

Leseprobe aus „American Vampire 1976“ von Scott Snyder und Rafael Albuquerque. (Copyright: Panini Comics)

Im Übrigen kann Snyders Geschichte mit überwiegend kantigen, kratzbürstigen und eigenwilligen Charakteren aufwarten, die sich vor der Kulisse der amerikanischen Geschichte tummeln. 1976 werden die USA 200 Jahre alt. Und zur 200-Jahrfeier sollen die Korken knallen. Allerdings schaut nicht nur der Protagonist skeptisch und misstrauisch auf die Politik, die Wirtschaft und das Weltgeschehen. Der Lack ist ab. In den Zwischentönen transportiert die Story das Gefühl des Abgehängtseins beziehungsweise von der Geschichte eingeholt worden zu sein, das die US-Amerikaner bis in die Gegenwart heimsucht. Indessen kratzt Scott Snyder bei diesen Themen für meinen Geschmack zu sehr an der Oberfläche. Vom Gesamteindruck vermag dieser Finalband keine solche Sogwirkung zu entfalten, dass man sich als Neuleser:in dazu herausgefordert fühlt, die gesamte Reihe nun noch nachzuholen.

Was man hier ohne Weiteres erwarten darf, sind etliche fantastische Kreaturen und Spezies, Action, mitunter derbe Sprüche und auch ein bisschen Horror-Grusel. Überdies kann man sich freilich an den wunderbaren Illustrationen von Rafael Albuquerque erfreuen, der schlechterdings ein Meister seines Fachs ist.

Fazit

Skinner Sweet ist kein normaler Vampir. Und dies hier ist gewiss mehr als eine handelsübliche Vampir-Geschichte. Dennoch lässt das Finale der Reihe bei seinen angeschnittenen Themen und Randbemerkungen ein wenig Tiefgang vermissen.


American Vampire 1976

Inhalt

2010 starteten Autor Scott Snyder und Bestsellerlisten-König Stephen King gemeinsam die historische Horror-Comic-Serie AMERICAN VAMPIRE über eine ganz besondere Art von Beißer und Monster. Später setzte Snyder, der selbst zum Bestsellerautor und Überflieger werden sollte, die mit den Eisner Award prämierte Vampir-Serie der etwas anderen Art alleine mit Zeichner Rafael Albuquerque fort. Gemeinsam arbeiteten sie sich durch die großen Abschnitte der amerikanischen Geschichte. Dieser neue Band, der Skinner Sweet und Pearl Jones im von Paranoia und Problemen beherrschten Jahr 1976 ein letztes Mal zusammenstoßen lässt, stellt das große Finale von AMERICAN VAMPIRE dar, einem intelligenten und doch reißerischen Meisterwerk des modernen Horrors.

(Quelle: Panini Comics)

Details

Format: Softcover
Vö-Datum: 14.12.2021
Originalausgaben: American Vampire 1976 1-10
Seitenzahl: 276
Sprache: Deutsch
Verlagshomepage: Panini Verlag

Copyright Cover: Panini Verlag



Über den Autor

Fabian
"Du lächelst wie jemand, der keine Ahnung hat, wozu ein Lächeln überhaupt gut ist." (Das kleine, blaue, geflügelte Einhorn Happy, in: Happy!)