Die Veranstaltungskalender der Hauptstadt haben eine neue Rubrik: „Berlin Asylum“ nennt sich eine „dunkle Partyreihe in Berlin: Horrorgeschichten, düstere Musik verschiedenster Couleur und eine gute Prise Wahnsinn, abgeschmeckt mit einem Spritzer Blut.“
Das erste „Kapitel“ dazu fand am 06.05. im Chesters in Berlin Kreuzberg statt.
Wer sich also an besagtem Freitag im Blauschwarz der Abendstunden auf unbekannte Pfade begeben hat, fand sich zu Veranstaltungsbeginn in kleiner Runde. Dieses typisch metropole Phänomen ergab immerhin die Gelegenheit, sich mit den Örtlichkeiten vertraut zu machen.
Das Chesters ist eine räumlich recht begrenzte Lokalität, bietet aber trotzdem von Raucherraum über Polestange bis zu Lounge und magnetischer Gentrifizierungsvorbeugungsschleuse alles und schafft daher ein passendes Setting für die „Insassen“.
Außerdem ein Nebeneffekt der Pünktlichkeit: Man kann sich nicht nur mit dem Barpersonal anfreunden, sodass zu den folgenden Bestellungen Blickkontakt ausreicht, sondern sogar mit den Veranstaltern und dem Autor einen Plausch halten.
In dieser kuschligen Atmosphäre startete also der Großstadthorror, wie Sascha Dinse, freiberuflicher Dozent für Medienkompetenz, sein Genre umreißt. Seine bizarren Kurzgeschichten spielen zwischen Fantasy und Science-Fiction, ohne Laserschwerter, dafür aber mit Protagonisten und Schauplätzen aus unserem Alltag, was das städtische Grauen umso erlebbarer macht.
Seine vorgetragene, extra für diesen Partyzyklus geschriebene Kurzgeschichte „Zimmerservice“ ist demnach auch in einem Hotel verortet und baut aus profanen Situationen der Moderne ein beklemmendes Spannungsgerüst, in dem sich der Leser bzw. Hörer von verstörender Einrichtung zu surrealen Spiegelbildern hangelt und sich seiner Sinneseindrücke nicht mehr sicher sein kann. Vom Anblick fleckiger Tapeten und leerer Bilderrahmen führt der Autor über abgewetzte Teppiche dunkler Korridore und schildert Empfindungen um Ekel, Schrecken und Verzweiflung, die wohliges Schaudern bereiten.
Fans von Stephen King oder David Lynch finden hier einen soliden Anlaufpunkt im Literaturdschungel und können kurzweilige Ausflüge in bodenlose Abgründe unternehmen.
Den Soundtrack zu diesem urbanen Nervenkitzel gaben abwechselnd Djane Hekate und DJ von Stimmgewalt, wobei sich hinter letzterem Jan Moritz von Stimmgewalt, dem Berliner HardChor, und Van Canto verbirgt.
Angekündigt wurde eine „Mischung aus Klängen, die irgendwo zwischen kalter Elektronik, melancholisch-melodischem Wehklagen und der puren Ekstase entfesselten Wahnsinns oszilliert“ und das wurde auch geboten.
Floorfiller wie The Crüxshadows lockerten vor der Lesung auf, während die Poeten um Janus passenderweise mit „Hotel Eden“ die Lesung abschlossen und den Tanzabend für ätherische Melodien und industrielle Beats aus allen erdenklichen Gegenden der musikalischen Landkarte eröffneten.
Es folgten ein gut gefüllter Club und eine gelöste Atmosphäre, hat man doch die Anspannung des Tages angereichert mit neugierigerwartungsvoller Hoffnung loswerden und sich vom Staub befreien können, der sich im Alltagsgrau der Großstadt unbemerkt auf alles legt.
„Berlin Asylum“ ist ein rundum düster geschnürtes Paket, das mit allen Aspekten von der optischen bis zur musikalischen Gestaltung des Abends überzeugt. Wir möchten gerne mehr von dem Grusel und empfehlen zwischen Dungeon und Wachsfigurenkabinett diese Form der kulturellen Abendgestaltung von Berlinern für Berliner durchaus.
Weitere Termine der Veranstaltungsreihe für das Jahr 2016 auf einen Blick:
Kapitel II – 15.07.2016
Kapitel III – 23.09.2016
Kapitel IV – 18.11.2016
Details zum Start der Reihe am 06.05.2016:
Beginn – 21 Uhr
Ort – Chesters (Glogauer Str. 2, 10999 Berlin)
Eintritt – 8 Euro
Mehr Infos zum Event hier.