Streamen oder nicht streamen, das war die Frage
Lange haderte die Band Within Temptation damit, einen Livestream zu machen. Die Band um Frontfrau Sharon den Adel befürchtete, die „Magie, eine Band live spielen zu sehen und zu hören – kombiniert mit der Energie des Publikums“, damit nicht transportieren zu können. Doch die Corona bedingte Auszeit für Musiker und Künstler hielt an und so entschied man sich doch dafür; die Idee zu „The Aftermath. A Show In A Virtual Reality“ ward geboren.
Dass die Symphonic Metal Ikonen aus den Niederlanden dabei keine Kompromisse eingehen wollten, stand schnell fest; vielmehr wollten sie „etwas Außergewöhnliches bieten können, etwas, das den Atem stocken lässt, faszinierend, spektakulär und mythisch ist“. Nichts weniger ist ihnen am 15. Juli mit ihrer Show gelungen.
Eine Stunde lang entführte uns die Band mit insgesamt zwölf Songs „in verschiedene Szenen einer post-apokalyptischen Welt […], in der wir Zeuge der Nachwirkungen der Zerstörung der Menschheit [geworden] sind. Eine Welt, in der nicht bekannt ist, ob irgendjemand der menschlichen Rasse überlebt hat. Es ist eine Suche nach Antworten sowohl über ihr Werden als auch über ihr Vermächtnis.“ Und all dies haben Within Temptation bildgewaltig und mit bombastischem Sound inszeniert.
Mit Within Temptation durch die Postapokalypse
Nach einem einminütigen Countdown empfing uns eine KI mit einleitenden Worten. Noch ließ sich nicht im Ansatz erahnen, was in den folgenden vollgepackten Minuten tatsächlich auf die Zuschauer zukommen würde. Dafür katapultierte uns die Ansprache mitten hinein in die erste von vier verschiedenen Welten, die im weiteren Verlauf mit der Band und der Musik interagieren würden. Oder interagierten Band und Musik mit den Welten? Die Verbindungen waren jedenfalls fließend und es entstand ein jeweils harmonisches Bild, das in Staunen versetzte.
Begleitet wurde all dies sowohl von älteren als auch (und vor allem) neuen Songs, die Within Temptation in diesen vier verschiedenen Welten performten.
Zerstörte Welt
Den Beginn machte das Hit-Triple, bestehend aus den Songs „Forsaken“ (vom 2004er Album „The Silent Force“), „Our Solemn Hour“ (vom 2007er Album „The Heart of Everything“) und „Paradise (What About Us?)“ (vom 2014er Album „Hydra“). Abseits der visuellen Epik war ein musikalisches Highlight dabei schon zu diesem frühen Zeitpunkt sicherlich der Gastauftritt von Tarja Turunen bei „Paradise (What About Us?)“.
Gottgleich
Der nächste musikalische Block führte zugleich in das nächste Setting. Nun waren die digital veröffentlichten 2020er Singles „The Purge“ und „Entertain You“ sowie der Song „Raise Your Banner“ (vom 2019er Album „Resist“) am Zug.
Die Übergänge gestalteten sich fließend. Und so empfing uns auch schon die nächste Welt.
Auf zu den Sternen
Mit „And We Run“ (vom „Hydra“-Album), „Shed My Skin“ und „Firelight“ (vom „Resist“-Album) ging es auf zu den Sternen. Dies passierte zunächst mit einem gewaltigen Härteschub, für den nicht zuletzt der Gastauftritt der Post-Hardcore Band Annisokay sorgte, die hier gleichsam mit Within Temptation ihre gemeinsame aktuelle Single erstmals live vorstellten. In diesem Setting blieb es aber nicht nur bei einem einzigen Gastauftritt; auch Jasper Steverlinck war für „Firelight“ mit von der Partie und bescherte mit Sharon den Adel im Duett die ganz großen Gefühle, während Xzibit die Leinwand für „And We Run“ ausfüllte.
In den Weiten des Universums
In den Weiten des Universums schwebend, waren abschließend „The Reckoning“, „Supernova“ (beide auf „Resist“ zu finden) und „Stairway to the Skies“ (vom 2011er Album „The Unforgiving“) an der Reihe, um den bis dato fantastisch gelaufenen Konzert-Streaming-Abend ausklingen zu lassen. Und „Weiten“ ist hier definitiv wörtlich zu nehmen, denn die großartige Visualisierung (nicht nur) dieses Settings brachte eine Tiefe mit sich, die in Genre-Filmen nicht besser hätte dargestellt werden können.
Zurück in der Realität
Zunächst einmal fehlten die Worte. Hat man Großes erwartet, wurden diese Vorstellungen noch übertroffen.
Die Aufteilung der Songs, die Zuordnung zu den gezeigten Welten und damit die gesamte Gliederung von „The Aftermath“, stets begleitet von Stimmungswechseln der Settings und Outfitwechseln der Band sowie unterbrochen durch „Zwischenmoderationen“ der KI, erwiesen sich als hervorragend und fesselnd. Passende Farben, Effekte und Animationen respektive Lasershows rundeten diese Reise ab.
Auch die Songauswahl insgesamt passte zur Thematik, die „The Aftermath“ zugrunde lag. An Härte zunehmend, um anschließend wieder zuversichtlich mit ruhigen Klängen Hoffnung zu schüren, baute sich die Show inhaltlich, musikalisch und visuell perfekt auf. Von epischen Kulissen über schwebende Bühnen (insgesamt eine „Bühnenshow“, die so wohl live nicht möglich wäre) bis hin zu einer Frontfrau, die die Weite bzw. Tiefe der „Locations“ – sowohl durch ihr Charisma als auch durch ihren Gesang – grandios auszufüllen wusste, all dies verfehlte ihre Wirkung nicht – Gänsehautmomente inklusive. Man muss sich schon diverser Superlative bedienen, um all den positiven Eindrücken dieser Show gerecht zu werden.
Und von dieser verpasste man nichts. Dank guter Kameraperspektiven und -umschnitte wurde nicht nur die Band abwechslungsreich eingefangen, auch die Detailliebe der Settinggestaltung und die Lichteffekte des Konzerts wurden dadurch ersichtlich. Gerade die vielen kleinen und größeren Details sind es auch, die nach einem erneuten Anschauen der Show verlangen. Und diesbezüglich zeigt sich ein großer Vorteil des Livestreams, denn anderes als ein herkömmlicher Konzertabend ist das Live-Event „The Aftermath“ für Ticketbesitzer anschließend noch für einige Zeit „on demand“ verfügbar.
Fazit
Ganz großes Kino! Within Temptation hinterlassen mit ihrer (technisch herausragenden) filmartigen Inszenierung von „The Aftermath“ einen bleibenden Eindruck. So gewinnt man der Pandemie-Situation doch noch etwas Gutes ab, wäre man doch sonst nicht in dieser Form in den Genuss dieses Konzertes gekommen.
Wer das Event verpasst hat, der sollte sich das Video zur offiziellen Single „Shed My Skin“ anschauen; der Live-Mitschnitt der Performance zum Song deutet ein wenig an, was mit „The Aftermath“ geboten wurde. Bleibt die Hoffnung, dass dieses sehens- und hörenswerte Spektakel bald auch auf Blu-ray/DVD für das „Heimkino“ erscheinen wird.
Trailer
Video
Setlist
01 Forsaken
02 Our Solemn Hour
03 Paradise (What About Us?)
04 The Purge
05 Entertain You
06 Raise Your Banner
07 And We Run
08 Shed My Skin
09 Firelight
10 The Reckoning
11 Supernova
12 Stairway to the Skies
Details
Within Temptation – Homepage | Within Temptation – Facebook | Within Temptation – Twitter
Datum: 15.07.2021
Location: Livestream-Event
Copyright Artikelbild: Within Temptation
Copyright Fotos: SetVexy