Dass es tatsächlich knapp vier Jahre dauern würde, bis ich die sympathischen Jungs von Lord Of The Lost in einem ihrer eigenen Formate (in diesem Fall als Lord Of The Lost Ensemble) – und somit jenseits von Festivals (wie etwa dem Summer Breeze 2019 oder dem WGT 2019) – wiedersehen würde, hätte ich mir wahrlich nicht träumen lassen. Umso erfreuter war ich, dass ich exklusive Fotografin für das Ensemble-Konzert „Swan Songs III“ am 24.04. im Huxleys in Berlin sein durfte und sich auch meine Tätigkeit als solche nicht nur auf die ersten drei Songs beschränken sollte.
Ich glaubte diesen Umstand bis zum Schluss nicht, war aber umso glücklicher, als ich tatsächlich niemanden sonst mit Kameraausrüstung sah. Später sollte das auch von Chris Harms während des Konzerts noch thematisiert werden – aber dazu an anderer Stelle etwas mehr.
Die Veranstaltung, eine von fünf exklusiven Shows in besonderen Konzerthallen in Deutschland, die also den dritten Teil ihrer Akustikreihe „Swan Songs“ auf die Bühne bringen sollte, ging pünktlich um 20 Uhr los.
Chris Harms eröffnete mit seinem bekannten und ureigenen Sinn für Humor, wies auf das neue Merch hin und zeigte gleich „gendergerecht“, dass er Damenunterhosen trug (siehe Video unten). Der Anblick, als er selbige zeigte, verzückte nicht nur, aber ganz besonders das weibliche Publikum. Er kündigte ebenso den Jogginghosen-Sonntag an und wer immer mitmachen wolle, dürfe sich am Merchandisestand bedienen und die rabattierten LOTL-Joggis käuflich erwerben, die in rauen Mengen mit nach Berlin gebracht wurden. Nicht wenige kamen dem tatsächlich auch im Laufe des Abends nach.
Supportact: Rain Diary
Anschließend wollte er ihren Supportact Rain Dairy ärgern, indem er deren Setlist in eine deutsche Version tauschte und aus ihnen tatsächlich ein „Regen-Tagebuch“ machte. Das hielt selbige nicht davon ab, Chris später die gleiche Retourkutsche zu verpassen und ihn mit einer finnischen Setlist zu „beglücken“. Nicht nur damit verbreitete die Band gute Laune, die zudem einen starken Start hinlegte.
Ich kannte die Finnen bisher nicht, aber an dem Abend dürften sie nicht nur mich mit Humor, Talent und ihrem Synth Rock überzeugt haben.
Auftritt: Lord Of The Lost Ensemble
Nach einer kurzen Pause war es an der Zeit für den Hauptact und das Lord Of The Lost Ensemble verzauberte das ausverkaufte Huxleys vom wortwörtlich ersten Streich an.
Chris streute dabei immer wieder witzige Sprüche ein, sprach aber auch seine tiefe Dankbarkeit ob der derzeitigen Umstände aus und ließ sich nicht nehmen, auch die Zuschauer:innen zu feiern; wohl wissend, dass diese Tour nunmehr dreifach verschoben worden wäre, viele selbst finanzielle Einbußen hätten und trotzdem einen Ausverkauf möglich machten.
Zwischen Songs wie „Lighthouse“, „Lost in a Heartbeat“, „A Splintered Mind“ und meinen persönlichen Lieblingssong „Cut Me Out“ – ich bekam buchstäblich Gänsehaut – wurde Chris nostalgisch. Er erinnerte an Anfangszeiten der Band und welch hohen Stellenwert Berlin in der Karriere von Lord Of The Lost doch habe, die mit Auftritten im Wild at Heart und als Supporter im damaligen K17 ihren Anfang fand.
Einlage: Jogginghosen-Sonntags-Performance
Dann wurde die nächste Pause angekündigt, um sich in ein bequemes Beinkleid zu begeben: Es war Zeit für die Jogginghosen-Sonntags-Performance.
Es sah witzig aus und ließ die Punkte in der Kategorie „Sympathie und Sinn für Humor“ noch einmal hochklettern. Ein Verkaufsstreich war es ebenfalls, aber ein glaubwürdiger, trugen doch alle Mitglieder des Ensembles Jogginghosen in Schwarz und Pink und eine der Geigerinnen gab sich sogar als Pokémon „Pikachu“ die Ehre. Damit hatten sie die Lacher auf ihrer Seite und auch die Jogginghosenträger:innen im Publikum waren sichtbar in der Zahl angestiegen. Das Ganze trug außerdem noch mal dazu bei, die Stimmung weiter anzuheben, obwohl man meinen mochte, das wäre gar nicht mehr steigerungsfähig gewesen.
Bevor das Ensemble im bequemen Outfit aber wieder Platz nahm, performten Pi, Chris und Gerad den brandneu produzierten Song „Not My Enemy“, der Antikriegssong für die Ukraine und offenbar Teil des anstehenden neuen Albums. Wie Chris verlauten ließ, war dieser Titel tatsächlich so neu, dass keine Zeit blieb, diesen im Rahmen des Ensembles zu integrieren. Stattdessen wurde er als Akustikversion zum Besten gegeben. Sehr berührend.
Galerie: Lord Of The Lost Ensemble & Rain Diary

(Alle Fotos bei Flickr ansehen)
Anschließend beeindruckten die Songs „Priest“ und „Loreley“ im „Swan-Song“-Gewand. Die Atmosphäre im Huxleys war gelöst, gleichzeitig waren alle gebannt. Entsprechend sah man kaum gezückte Handys und nur selten einzelne Blitze von selbigen aufhellen. Auch ich hielt mich so gut es ging im Hintergrund und drückte den „Knopf“ nur in leiser Reihenaufnahme. Das alles schien auch ein Chris Harms zu bemerken. So fragte er ins Publikum, ob es ohne eine Horde Fotografen, die im Zweifel gar keine echte Presse seien und eher Fotos in Handyqualität und Berichte mit unschönen Grammatikfehlern abliefern würden, denn nicht viel schöner sei. Mit einem Kameramann und jeweils einem zugelassenen Fotografen bei Ensemble-Formaten sei das viel entspannter. Man solle die Pressefreiheit daher ggf. so interpretieren, sich die Freiheit zu nehmen, eine Presseabwesenheit zu zelebrieren, und lieber die Darbietung direkt genießen.
Zum Ende hin ging es dann noch mal mit „Annabelle Lee“ beeindruckend literarisch zu und nach insgesamt ca. drei Stunden fand auch dieser Abend leider ein Ende.
Fazit
Einmal mehr sorgten die Hamburger Jungs um Chris Harms für einen wunderschönen Abend mit einem Mix aus gehobenem Ambiente, Witz und Charme. Es hat – wie immer – sehr gefallen.