„something with skeletons“ – Ein Bericht zu „The World of Tim Burton“
Etwas mit Skeletten. Oder Streifen, düsterer Atmosphäre, meist ein bisschen schräg – Filme von Tim Burton riecht man einfach tausend Meter gegen den Wind. Und auf dem Ausstellungsstück Nummer 258 bringt der Künstler es selbst auf den Punkt.
Nun, steht man vor dem Max Ernst Museum Brühl des LVR, stellt sich noch kein burtoneskes Feeling ein. Neben dem großen Schriftzug am Eingang und einem kleinen Aufsteller zeugt erst mal nicht viel von den Schätzen, die sich hinter den Glastüren verbergen könnten, obwohl der Kleinstadtcharme der laut Wikipedia zumindest mittelgroßen Stadt Brühl durchaus eine gute Bühne für „Edward mit den Scherenhänden“ gewesen wäre. Das Museum selbst ist eher zurückhaltend gestaltet, weiße Wände, klare Architektur, keine Burton-Schnörkel. Doch tritt man erst durch das Portal, wird man bereits freundlich von einem über 2m großen und natürlich aufblasbaren Ballon-Boy begrüßt (spätestens jetzt macht sich die erste Begeisterung breit!). Max Ernst hat Platz in den Regalen gemacht und die Wände rot-weiß tapeziert ‑ Burton ist in der Stadt!
Tim Burton, geboren 1958, Ausbildung bei Disney und filmischer Durchbruch 1988 mit „Beetlejuice“, ist Regisseur, Produzent, Autor und Künstler. Ein Tausendsassa also, der 2007 für sein Lebenswerk mit einem goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Bereits zu einem einzigen Film, Buch oder Projekt könnten sicherlich Räume gefüllt werden mit Konzepten, Figuren, Kostümen und und und. Kann man diesem Menschen in einer Ausstellung überhaupt gerecht werden? Ich sage schon mal so viel: Man kann und man ist!
„The World of Tim Burton“, die im Wesentlichen auf der 2009 im Museum of Modern Art in New York gezeigten Retrospektive „Tim Burton“ basiert, emanzipiert sich von unseren Vorstellungen. Keine Blockbuster, kein Johnny Depp, kein Danny Elfman (ja, ein bisschen schade, oder?), sondern das zeichnende Genie hinter diesen Geniestreichen. Im Rahmen der ersten Konzeption wurden aus über 10.000 Bilder 500 zum Teil hoch persönliche Exponate ausgewählt, die sich im Kern so auch in Brühl finden lassen.
Sobald die leise Hoffnung auf ein Johnny Depp-Relikt verschwunden ist, öffnet sich der Blick.
Ohne Rücksicht auf Fanbefindlichkeiten ‑ wer sich in Oompa Loompa-Gesänge verliebt, verzichtet vielleicht lieber auf trashige Alien? ‑ gruppieren sich die ausgewählten Werke frei nach Themen, Motiven oder Projekten, wobei der zeitliche Fokus zumindest gefühlt auf den 80er und 90er Jahren liegt. An dieser Stelle kann kaum ein Loblied auf die dargestellten Zeichnungen, Gemälde, Miniaturen, Figuren, Installationen, Briefe, Servietten, Filme, Videos und Bücher gesungen werden ‑ aber es ist wirklich beeindruckend, aus was Burton alles Kunst machen kann.
Es sei an dieser Stelle auch noch erwähnt, dass man hier nicht nur gucken kann, denn die Ausstellung ist multimedial angelegt. Neben den eingeglasten Exponaten finden sich daher Videoinstallationen und sogar ein kleines Kino, in dem abwechselnd Kurzfilme aus der kreativen Anfangszeit von Burton gezeigt werden. Außerdem gibt es exklusives Lesematerial im Leseraum zu entdecken (zumindest sofern die Technik mitspielt. Ich war nur in der Lage, eines der Bücher aufzurufen … was aber auch an mir liegen könnte).
Auch wenn am Ende nicht jede kreative Station dieser immerhin schon 30-jährigen Karriere abgefahren wird, stimmt die Mischung insgesamt.
Dass sich das Ausstellungskonzept auch und gerade im Zusammenhang mit dem gewählten Ort bewährt, zeigt sich vor allem im oberirdischen Bereich des Museums, wo die Werke des Surrealisten Max Ernst das Bindeglied zwischen Burton und dem Museum sind.
Max Ernst, selbst Tausendsassa (Bildhauer, Grafiker und Dichter) beschreibt Surrealismus als „Abkehr von der Herrschaft der Logik, ein Denk-Ditat ohne jede Vernunft-Kontrolle“ (Quelle: „Max Ernst – Techniken“, Homepage des Max Ernst Museum Brühl des LVR) und dies könnte gleichsam Burtons Arbeitsweise umschreiben. Obwohl ich an dieser Stelle zugeben muss, kein besonderer Kenner surrealistischer Kunst zu sein ‑ das Zusammenspiel beider Charaktere überzeugt.
Damit gibt es zugleich auch eine Antwort auf die Frage: „Warum Brühl?“
Wenn eine Ausstellung aus dem Museum of Modern Art in New York über Melbourne, Toronto, Ontario, Los Angeles, Paris und Seoul nach Deutschland reist und schließlich im beschaulichen Brühl landet, liegt diese Frage nicht nur bei mir ziemlich nah. Das Max Ernst Museum Brühl des LVR bewarb sich um die Ausstellung und die Verbindung von burtonesker Kunst und Surrealismus überzeugte am Ende sogar Tim Burton höchstpersönlich. Der Beweis für das gut ausgearbeitete Konzept und die Inspirationsfähigkeit hängt bunt auf schwarz im unteren Teil der Ausstellung: Die eigens entwickelte „Dunkelkammer“, ein Raum, in dem ein nicht realisiertes Schwarzlichtprojekt mit Taschenlampen entdeckt werden kann, inspirierte Burton bei seinem Besuch so sehr, dass er sich direkt auf einer freien Wand verewigte.
Am Ende wollte ich mich zwar nicht neben einem Burton verewigen, aber einen mit nach Hause zu nehmen wäre schon nett gewesen. Eine kleine Serviette vielleicht? Leider müssen alle Burton-Fans auf handgezeichnete Originale verzichten, aber im Museumsshop können immerhin der Ausstellungskatalog „The World of Tim Burton“, ein exklusiver Stoffbeutel zur Ausstellung, „Unglückskekse“ oder ein Mitmachheft für Kinder erworben werden. Genau wie der Eintritt zur Ausstellung (Erwachsene: 9,50 € / ermäßigt 5,50 € (Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Eintritt frei) sind auch diese Erinnerungsstücke erschwinglich. Am Ende meines Besuches erfolgte nur ein kleiner Schreck: Verweildauer ca. 2 Stunden und 30 Minuten, sensationell!
Also, ich habe hier nichts, aber auch gar nichts zu meckern. Diese Ausstellung ist großartig. Bis zum 03.01.2016 habt ihr noch Zeit, lasst euch diese Gelegenheit nicht entgehen! Detaillierte Informationen findet ihr hier.
Und wer dann nicht genug bekommen kann, sollte einen Blick in das zusätzliche Programm neben der Ausstellung werfen: Öffentliche Führungen oder Kuratorführungen, eine Filmreihe im Filmhauskino Köln, Theatervorstellung, eine regelmäßige Tim Burton-Kinderwerkstatt und Workshops für Jung und Alt (mein persönliches Highlight: Workshop für Jugendliche und Erwachsene zum Thema „Cut! Stop-Motion-Filmworkshop zu Tim Burton“ am 21. bzw. 22.11.2015!) runden das Programm perfekt ab.
Videos
Trailer:
Behind the Scenes:
Details
Datum: 16. August 2015 bis 03. Januar 2016
Location: Max Ernst Museum Brühl des LVR