Am 06.04.2017, einem kalten Donnerstagabend, der auch im November hätte sein können, luden zwei Größen dystopischer Romantik zum Konzert.
Assemblage 23 gaben sich im Maze, einem verwinkelten Club in einem Kreuzberger Kellergewölbe, die Ehre, ihr achtes Studioalbum vorzustellen – und Vadot durften als Kiezgrößen das Programm entsprechend komplettieren.
Vadot
Eröffnet wurde, eher untypisch für Berlin, überpünktlich, dafür aber mit „Die Schönste“ mit einem der Publikumslieblinge vom Debütalbum „In Gottes Namen“, 2010 noch im eigenen Verlag Popsirup veröffentlicht.
Gut durchmischt wechselten Songs des Nachfolgers „Teufels Beitrag“ (2012, Danse Macabre) mit synthielastigeren Stücken des am 15.04.2016 veröffentlichten dritten Albums „Von Luft und Likes“. Dessen erste düster-melancholisch-balladeske Single-Auskopplung „Nacht im August“ wurde schon zum WGT 2016 in passendem Ambiente gut aufgenommen und seit ihrer Gründung 2009 beweisen Vadot (Musik, Text und Gesang), Beate (Schlagzeug) und Ozzy (seit 2016 Bass als Nachfolger von Skeet) immer wieder ihre Livequalitäten – sei es mit charmanten Scherzen über technische Fauxpas oder energiegeladenen Darbietungen der eingängigen Pop-Rock-Songs, die abwechslungsreich einfühlsam, oft eigen, aber nie einmütig sind.
So wurde an diesem Abend mit „Electronic Cash“ gesellschaftskritisch-elektronisch mit vordergründigen Gitarren gerockt, während „Rosa Elefanten“ atmosphärischen Deutschpop lieferte, der gut in einer Lounge laufen könnte, wären da nicht der schwermütige Text und die eindringlich-charismatische Stimme, die dem Hörerlebnis eine Tiefe geben, die man so nicht oft findet. Nicht umsonst haben Vadot u.a. für Großstadtgeflüster, Schwefelgelb und Cassandra Complex als Support gespielt.
Einen Großteil der Stücke wie auch den Abschluss bildeten Songs des aktuellen Albums, wie das unverblümt an einen DAF-Klassiker angelehnte „Beende deine Jugend“. Ansprechend poetisch und sympathisch immer einen Tick neben Klischees und Erwartungshaltung ist, wie in einem der älteren Stücke „Motten ums Licht“, alles recht „solang’s boheme ist“. Als Zugabe durften es dann noch das mitreißende „Kreuzfeuer“ und der Jetzt-schon-Evergreen „Sonst nichts“ sein.
In 40 Minuten haben die Electro-Wave-Rocker einen Abriss ihres bisherigen Schaffens gegeben und sich dem Publikum als ein „Wellenschlag im Wasserglas“ (Keine Tränen, 2016) des deutschsprachigen Wave-Genre ins Gedächtnis gebrannt.
Assemblage 23
In die gleiche Kerbe tanzbarer Trostlosigkeit schlug Mastermind Tom Shear mit seinen unvergleichlich bildgewaltigen Szenarien, beginnend mit dem Floorfiller „Disappoint“ aus dem Jahr 2001.
Tontechnisch nicht einwandfrei dargeboten transportierte er dennoch eine unvergleichliche Energie, die düstere Schwere widerspruchslos mit energiegeladenen Rhythmen kombiniert.
Stilistisch wie auch inhaltlich mischt er aus seiner mittlerweile doch recht großen Palette elektronische Klanggemälde voller Emotionen: „You haven’t earned it“ ist ein wütend-anklagendes industriell-reduziertes Stück, während „Spark“ (Compass, 2009) fröhliche Beats und hoffnungsvolle Zeilen wie „One dream that’s worth defending“ zwischen gewohnt schwermütige Lyrics schüttet.
Trotz der geringen Grundfläche des Maze konnte sich die Zahl der Besucher gut verteilen und die Atmosphäre war dank guten Services an Bar und Garderobe ausgesprochen gut.
Berlin trifft auf Seattle – bei diesem ausverkauften Event sind alle auf ihre Kosten gekommen.
Sehr gut Informiert und charmant geschrieben… Vielen Dank !!! Weiter so…. 🙂